Das unheimliche Haus
aufgescheucht. Aber dieser Herr Kalender ist doch nur ein engstirniger Provinzler und bestimmt kein Sherlock Holmes. Möglich, daß er eine Meldung macht, und vielleicht erwischt er sogar die zuständige Stelle. Doch deshalb würden dort die Herren nicht gleich von den Stühlen purzeln. Immer wieder taucht hier oder dort ein gefälschter Geldschein auf. Daran hat man sich allmählich gewöhnt wie ans Zähneputzen oder ans Steuerzahlen. Und selbst wenn morgen früh in den Bad Rittershuder Nachrichten stehen sollte, daß ein falscher Hunderter in der Stadt aufgetaucht ist, kriegt deshalb keine Mücke den Husten. Die Bank hat das Falsifikat inzwischen wohl zu ihrer Zentrale geschickt. Die Zentrale gibt es an die Bundesbank weiter, und die Bundesbank verfrachtet es zum Falschgelddezernat der Kripo. Alles hübsch ordentlich auf dem Dienstweg. Und Dienstwege sind, Gott sei Dank, keine Rennpisten. Übrigens war es durchaus möglich, daß dieser dämliche Sperling, ohne es zu ahnen, eine fabelhafte Trumpfkarte aus dem Ärmel gezaubert hatte. Seit wir uns das Originalpapier unter den Nagel gerissen haben, ist die Falschgeldfahndung selbstverständlich gewarnt. Aber wer auch immer dahintersteckt, die Bande müßte von allen guten Geistern verlassen sein, wenn sie ihre Blüten in der Nähe ihres Verstecks auf den Markt bringen würden. Ein Kriminaler, der das für möglich hält, muß nicht alle Tassen im Schrank haben. So gesehen ist Bad Rittershude momentan vielleicht der sicherste Platz. Nein, es gibt wirklich keinen Grund, den Plan oder den abgesprochenen Termin zu ändern. Im Gegenteil, die Chancen, daß unser Knüller glatt über die Bühne geht, sind sogar gestiegen.
Der »Mandarin« plätscherte zufrieden mit den Füßen.
Außerdem sind die Verteiler bereits unterwegs.
»Sie haben die Quelle wohl gemietet?« fragte in diesem Augenblick eine schnippische Stimme.
Der »Mandarin« machte verwirrt und wie schlaftrunken seine Augen auf. Er gewahrte hinter dem Wasser, das auf ihn herunterprasselte, eine dickliche Frau, die ihn vorwurfsvoll anblickte. Sie trug eine Badekappe mit bunten Rosen und Tulpen aus Gummi über dem Haar. Das sah aus, als würde ihr ein Blumenstrauß aus dem Kopf wachsen. »Ich warte jetzt schon eine geschlagene Viertelstunde, und Sie rühren sich nicht«, nuschelte sie. »Andere wollen auch mal unter den Strahl, mein Herr.«
»Entschuldigung«, murmelte der »Mandarin«, tauchte unter und schwamm davon.
Die geheimnisvolle Eisentür
Das Dreirad war vergammelt. Der Lack, der einmal gelb gewesen sein mußte, war abgeblättert, und der Rost hatte seine Schutzbleche angefressen. Es hatte eine offene Ladefläche, auf der ein Schraubstock montiert war. Vermutlich gehörte das Vehikel einer Schlosserei, die auch außerhalb der Werkstatt Reparaturen ausführte. Hinter das Lenkrad gequetscht, saß ein großgewachsener, dicker Bursche von etwa fünfundzwanzig Jahren in einem verschmutzten Overall. Er füllte fast jeden Zentimeter der engen Fahrerkabine aus und mußte den Kopf eingezogen halten, wenn er nicht an die Decke stoßen wollte. Besonders groß und dick zu sein lag in der Familie. Der Kerl in dem verschmutzten Overall war nämlich der Bruder jenes bulligen Maxen mit dem unschuldigen Babygesicht, der Karlchen Kubatz bei dem Überfall auf dem Kinderspielplatz im Schwitzkasten festgehalten hatte. Er hieß Franz, und weil die Glorreichen Sieben ihn nicht kannten, sollte er sie verfolgen, ohne daß sie es merkten.
Man hatte Franz nicht lange überreden müssen. Schließlich war er früher auch einmal Maximilianschüler gewesen, und als ihm Ulli Buchholz erklärt hatte, daß es gegen das Prinz-Ludwig-Gymnasium ging, hatte er nur breit gegrinst und seine viel zu großen Hände zusammengeknallt. »Ist doch gar keine Frage, daß ihr mit mir rechnen könnt. Müßt mir nur sagen, wo das Klavier hin soll.«
Jetzt parkte er bereits seit einer halben Stunde zwischen einem Lieferwagen der Post und einem weißen Mercedes vor dem Hallenbad. Wenn er über seine linke Schulter linste, konnte er drüben auf der anderen Straßenseite die Einfahrt zum Großmarkt erblicken. Sie lag auf der Schattenseite, und in ihrer Dunkelheit hatten sich die Maxen auf die Lauer gelegt. Es war bombensicher, daß sie ihn nicht aus den Augen ließen.
Fünf und eine halbe Minute später war es dann soweit.
Die Glorreichen Sieben kamen mit ihren Badetaschen auf den Gepäckträgern aus dem Hof der Badeanstalt und bogen in die Straße
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