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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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eine tiefe Falte quer über der Stirn und merkte erst jetzt, daß er dem Studienrat ins Wort gefallen war. »Entschuldigung, ich wollte Sie nicht unterbrechen.«
    »Macht nichts«, meinte Dr. Purzer, »sprich dich ruhig aus.«
    »Bei einer Klassenarbeit, beispielsweise in Geschichte oder Physik, da gibt es für den Lehrer keine Probleme«, erklärte Sputnik. »Nichts als Fragen und falsche oder richtige Antworten. Da könnte auch ein Computer die Noten ausrechnen. Aber bei einem Aufsatz, da ist es doch wie bei Musik, bei Bildern oder Büchern. Dem einen gefällt das eine oder das andere mehr oder weniger gut...«
    »Und wenn ein Lehrer beim Korrigieren gerade Bauchschmerzen hat«, warf Karlchen Kubatz ein, »dann gefällt ihm so ziemlich alles weniger gut. Hat er zum Frühstück einen miesen Steuerbescheid gekriegt, gefällt ihm überhaupt nichts mehr.« Der Junge mit dem Bürstenhaarschnitt hatte seine Hände unter die Oberschenkel geschoben und wippte auf seinem Stuhl, wie er es immer tat, wenn er aufgeregt war.
    »So was gilt selbstverständlich nicht nur für Lehrer«, bemerkte jetzt Hans Pigge behutsam. »Und was dann passiert, ist meistens viel schlimmer als eine Drei oder Fünf, die man ja notfalls beim nächsten Mal ausbügeln kann. Denkbar ist doch etwa, daß ein Staatsanwalt, der zu Hause Qualm in der Küche hat, dickere Gefängnisstrafen aus dem Ärmel zieht als ein Richter, der seine Silberne Hochzeit feiert oder vor der Verhandlung von seinem Arzt erfährt, daß sein linker Backenzahn doch nicht gezogen werden muß.«
    Durch die weit offenen Fenster war gelegentlich das Johlen von zwei Klassen zu hören, die sich drüben bei der Turnhalle ein Handballspiel lieferten. Ein Stockwerk höher erklärte Dr. Wagemann seiner 7 c, daß der Löwenzahn zur Familie der Korbblütler gehört, und gleich neben dem Physiksaal bog die 6 a bei Dr. Schwertfeger ein unregelmäßiges Verbum nach dem anderen.
    Die Sonne kletterte jetzt bereits über die Baumspitzen am Zobelberg, und die Schatten neben dem Schulgebäude schmolzen immer mehr in sich zusammen.
    Mittlerweile setzte Emil Langhans ganz hinten im zweiten Stockwerk alles daran, um den Disput mit Dr. Purzer am Kochen zu halten. Nur solange es ihm gelang, den Studienrat vom eigentlichen Unterricht abzulenken, hatte er die Chance, von seinem Auftreten als Prinzessin Eboli verschont zu bleiben.
    Und seine Chancen standen nicht schlecht.
    Man debattierte inzwischen bereits über Zensuren im besonderen und Zeugnisse im allgemeinen.
    »Lehrer und Schüler sollen doch Partner sein, heißt es immer«, sagte Sputnik. »Aber so, wie es ist, stehen Lehrer doch unter Denkmalschutz. Sie dürfen uns dauernd Vorhalten, was ihnen an uns nicht gefällt, und zensieren uns.« Er stand impulsiv auf und blickte herausfordernd um sich. »Was ist denn das für eine Partnerschaft, wieso dürfen wir eigentlich nicht auch unsere Lehrer zensieren?«
    »Du schlitterst dicht am Hochverrat vorbei«, bemerkte Dr. Purzer trocken. »Aber weiter, ich höre.«
    Emil Langhans schraubte sich in seiner ganzen Länge von seinem Stuhl hoch, »In einer englischen Schule soll es tatsächlich Zeugnisse für Lehrer geben, stand in der Zeitung. Die Schüler beurteilen, wie sorgfältig sich der Studienrat Soundso auf den Unterricht vorbereitet, ob er gerecht beim Notengeben ist oder irgendwelche Schüler bevorzugt. Es gibt Zensuren für Beliebtheit, Humor und die Art, wie einer seinen Unterricht abhält. Wenn dann der Monat vorbei ist...«
    »... werden die Noten ans Schwarze Brett gehängt«, unterbrach Karlchen Kubatz. Er hatte die Hände immer noch unter den wippenden Oberschenkeln.
    »Zeugnisse für Lehrer«, überlegte Studienrat Dr. Purzer. Er ließ jedes Wort eine Weile in der Luft hängen. »So etwa könnte man sich das Paradies für Schüler vorstellen.«
    »Aber, wie gesagt, so etwas gibt es nur in England«, bemerkte Karlchen Kubatz. Er stellte sein Schaukeln wieder ein und verschränkte die Arme.
    »Uns trennt der Ärmelkanal«, meditierte Emil Langhans und setzte sich wieder. »Und der ist nicht von Pappe.«
    »Auch schreiben Zeitungen viel, wenn der Tag lang ist«, bemerkte Dr. Purzer. »Die Bad Rittershuder Nachrichten sind da natürlich eine Ausnahme«, fügte er mit einem Blick zu Karlchen Kubatz hinzu. Er lehnte sich zurück, ohne daran zu denken, daß ja sein frisch gebügeltes Jackett über der Stuhllehne hing. »Und jetzt zur Sache.«
    Emil Langhans machte sich zusammen mit der 9 b auf »Don

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