Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee
Häuschen der Kessel kalt. Mit einem dicken Eisbeutel auf dem Kopf saß sie in der Hexenküche und schnippelte Wurzeln. Die Beule, die ihr Rabenstein verpasst hatte, glich mittlerweile einem Zuckerhut. Sie hatte das Glas von Taddel und Mills in den Schrank gestellt, da sie das Gelächter der beiden nicht mehr hatte ertragen können. »Plim trägt ein Geburtstagshütchen«, hatten die zwei sie gehänselt, wobei sie ihr immerzu gratuliert und lauthals Ständchen gesungen hatten.
Der Ärger schien überhaupt nicht mehr aufzuhören. Stein kaputt, Spott im Haus und obendrein auch noch einen Höcker auf dem Kopf. Was musste man eigentlich als ehrliche Hexe noch alles durchmachen?
Für heute hatte Plim jedenfalls genug. Heute blieb der Laden geschlossen, und zwar ohne jegliche Ausnahme! Sie hatte ein Schild mit der Aufschrift Nix gibt’s! Keiner da! an die Tür gehängt und den Riegel vorgeschoben. Das Einzige, was ihr jetzt noch fehlte, war eine Salbe gegen die Beule. Mehr wünschte sie sich gar nicht. Danach würde sie sich geradewegs ins Bett legen und die Decke über den Kopf ziehen. Sie griff sich einen Mörser, stellte ihn auf den Schoß und zerstampfte mit grimmigem Gesicht die Wurzeln.
Plötzlich bimmelte es an der Tür.
Plim gab keinen Mucks von sich.
Es dauerte nicht sehr lange, da ertönte das Klingeln von neuem.
Sie riss die Augen auf. »ES IST GESCHLOSSEN!«, plärrte sie. »WOFÜR, GLAUBT IHR WOHL, HÄNGT DIESES SCHILD DA DRAUSSEN?!«
Aber ihr Geschrei war zwecklos. Ohne Pause klingelte es weiter.
Jetzt reichte es ihr. Egal wer das auch sein mochte, der konnte jetzt was erleben, aber gewaltig! Sie knallte den Mörser auf den Tisch, schlüpfte in ihre Hausschlappen und stampfte mit wehender Schürze durch die Küche.
»SCHNECKENSCHLEIM UND SCHIMMELPILZ«, schrie sie, als sie die Tür aufriss. »ES IST TRAUERTAG, BEI MIR JEDENFALLS!!!«
Dann aber verstummte sie. Mit offenem Mund schaute sie auf den Mann, der vor ihr auf der Schwelle stand. Ist er das wirklich? – dachte sie. Meine Güte, was ist denn mit dem nur passiert?
Der Mann war kein Geringerer als Glasermeister Plundersack – derjenige, der Plim einst den Spiegel vermacht hatte. Er trug noch immer die Karnevalsnase, die ihm Plim nach zäher Verhandlung so günstig verkauft hatte und die er dafür seither nicht mehr hatte abnehmen können. Aber selbst mit der lustigen Nase wirkte seine Erscheinung alles andere als fröhlich. Plundersacks Zustand war, gelinde ausgedrückt, jämmerlich . Unrasiert, übernächtigt und kreidebleich zuckelte er von einem Bein aufs andere, als wäre er am Rande des Nervenzusammenbruchs. Seine Augen waren rot wie glühende Kohlen und er konnte sie kaum noch offen halten. Mit heiserer Stimme begann er zu sprechen.
»Hallo, Miss Plim«, stammelte er. »Bitte verzeiht meine plötzliche Störung, aber ich muss Euch dringend etwas anliefern.«
»So?«, sagte Plim. »Ich habe aber gar nichts bestellt.« Sie schaute ihn von oben bis unten an. »Ihr seid freilich ganz schön blass um die Nase, mein Lieber. Kann ich Euch vielleicht etwas anbieten?«
»Nein danke!«, rief er und zuckte zusammen. »Es geht mir ausgezeichnet.« Plundersack wollte so schnell wie möglich vergessen, was er letzte Nacht mit diesem Ungeheuer von Flughund, der in seine Schlafkammer eingedrungen war, alles durchgemacht hatte. »Wirklich, ich fühle mich bestens«, fuhr er fort. »Ihr erinnert Euch gewiss noch an den Spiegel, den ich Euch vor einiger Zeit vermacht habe.«
»Natürlich«, raunte sie. »Was soll damit sein? Der hängt da hinten.«
»Oh, gut … äh, nein … ich meine, ganz und gar nicht gut.« Er zog den Kopf ein. »Ich würde ihn gerne gegen ein neueres Modell austauschen. Euer Spiegel ist nämlich nicht vollkommen glatt.«
Plim beugte sich vor. »Hä? Was soll der sein?«
»Er ist ein bisschen gewölbt«, antwortete Plundersack. »Ein klitzekleines Missgeschick, welches mir bei dieser Serie damals widerfahren ist. Möglicherweise verzerrt er dadurch Euer Antlitz ein wenig. Ich würde ihn gerne gegen diesen hier austauschen – natürlich vollkommen kostenlos.« Er bückte sich und griff nach einem flachen Paket, das vor ihm auf dem Boden stand.
Plim schüttelte den Kopf. »Den brauche ich nicht«, sagte sie. »Der andere ist genau richtig.« Und mit diesen Worten wollte sie die Tür vor seiner Nase zuziehen.
»Nein, nein, nein, nein«, jammerte Plundersack und stellte einen Fuß in die Tür. »Es ist mir unsagbar
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