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Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Titel: Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Seitz
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schien, als wäre nie etwas Ungewöhnliches passiert. Von dem kleinen Waldstückchen, das beim Einsturz der Grotte mit einem lauten Rums im Erdboden versunken war, hatte kaum jemand etwas bemerkt. Wen kümmerte schon, was sich nächtens alles im Finsterwald abspielte? Lediglich die Koboldtruppe, welche die Wurzelpostleitungen in Schuss hielt, durfte sich auf ein gehöriges Stück Grubenarbeit einstellen.
    Beschaulich und beinahe vertrauenerweckend thronte der alte Turm im Vogelgezwitscher über den Hügeln. Ein warmer Lufthauch strich durch das Gras und oben am Gartentor brummten die Bienen. Snigg lag platt ausgestreckt auf seinem Komposthaufen und ließ sich die Sonne auf den Kopf scheinen. In seinem ganzen Leben hatte er sich noch nie so viel bewegt wie in den vergangenen paar Tagen. Natürlich dachte er durchaus daran, sich bald wieder auf den Weg zu Chuck zu machen und – ganz nebenbei – auch Plims schmackhaftem Gemüsegarten einen Besuch abzustatten. Doch bis es so weit sein würde, wollte er tunlichst jede Bewegung vermeiden. Von nun an, so hatte er beschlossen, konnte ihn nichts und niemand mehr aus der Ruhe bringen. Das galt vor allem für das beharrliche Schnarchen, das schon den ganzen Tag aus dem Dachfenster zu ihm in den Garten drang.
    Bis in die Abendstunden hielt sich das Geräusch. Erst nach Sonnenuntergang verstummte es endlich. Doch damit wurde es keineswegs besser. Vielmehr war das der Anfang vom Übel, da nun schlagartig Leben in das Gemäuer kam – und zwar mit einer unverschämt deutlichen Lautstärke! Es schepperte und polterte. Türen wurden zugeschlagen und hinter nahezu jedem Fenster des Hauses flammte Licht auf. Snigg hatte keine Ahnung, was Primus da oben gerade anstellte, aber es hörte sich an, als wolle er das ganze Haus auf den Kopf stellen.
    Neugierig hockte Bucklewhee auf seiner Stange. Durch die Pfosten des Geländers spitzelte er zum Kaminzimmer hinunter, wo er inmitten dicker Staubwolken Primus erkennen konnte. Dieser kramte umtriebig in den Ecken. Er schob Bücher beiseite, durchsuchte die Regale und wühlte in jeder Schachtel, die ihm dabei zwischen die Finger kam. Sogar unter dem Sessel schaute er nach. Keuchend kroch er unter die Fransen, kam jedoch kurz darauf mit lautem Niesen wieder hervor. Doch so wie es aussah, war seine Suche bisher nicht sonderlich erfolgreich gewesen. Von Kopf bis Fuß voller Staub stand er im Zimmer und kratzte sich hinterm Ohr. Daraufhin flitzte er rüber in die Küche, wo das Rumpeln gleich weiterging.
    Bucklewhee neigte sein Köpfchen. »Hast du denn schon einmal im Turmzimmer nachgesehen?«, rief er durch die Bodenbretter zu Primus hinunter. »Ich dachte immer, das ganze Flaschenzeugs würde oben auf dem Schreibtisch herumliegen.«
    »Na klar«, schallte es aus der Küche, »da habe ich gleich als Erstes nachgeschaut. Die sind aber alle zu groß. Ich brauche etwas viel, viel Kleineres. Außerdem muss es irgendwie magisch aussehen, sonst schöpft sie am Ende noch Verdacht.«
    Primus zog die Küchenschränke auf, klimperte zwischen den Pfannen und machte die Türen anschließend mit einem Knall wieder zu. Dann kam er aus der Küche geschlichen. Mürrisch knabberte er auf seiner Unterlippe.
    »Das ist noch gar nicht lange her«, murmelte er, »da habe ich so ein Ding irgendwo hier herumliegen sehen – aber wo?« Er blickte zu Bucklewhee empor. Just in diesem Moment fiel es ihm ein. »HA!«, rief er. »Jetzt weiß ich es wieder. Oben in der alten Truhe!«
    Er breitete seine Flügel aus und flatterte zum Dachgeschoss. Dort öffnete er die Truhe, legte das Bruchstück der Mondsichel beiseite und holte eine kleine violette Glasampulle hervor.
    »Tatatataaa!«, trällerte er. »Genau danach habe ich gesucht.«
    Gerade als er den Deckel wieder zumachen wollte, fiel ihm eine kleine glänzende Metallfeder auf, die ebenfalls unter dem Stein gelegen hatte. Er zog sie heraus und hielt sie Bucklewhee vor die Nase.
    »Schau mal«, sagte er, »wäre das nichts für dich? Damit könntest du vielleicht deine Uhr ein wenig aufpeppen, was meinst du?«
    »Ich werd verrückt«, rief Bucklewhee strahlend. »Die ist ja noch blitzblank und ganz ohne Rost. Die baue ich auf der Stelle ein.«
    Er sauste am Bettpfosten vorbei, schnappte sich mit dem Schnabel die Feder und verschwand blitzschnell hinter der Klappe im Uhrenkasten. Ein Surren und Rattern ertönte, als er sich im Innern ans Werk machte.
    Primus ließ sich aufs Bett fallen. Er streckte die Beine aus und zog

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