Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee
noch nach ihr greifen wollte. Doch es war zu spät.
Plim reckte die Hände, beugte sich nieder und hätte den Stein beinahe erreicht – da stand Rabenstein bereits über ihr. Erschrocken schaute sie zu ihm auf. Sie sah in sein böses Gesicht, erblickte die hasserfüllten Augen und sah den blitzenden Spaten, den er mit beiden Händen auf sie herniederschmetterte. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
Rasend vor Wut ging Primus auf Rabenstein los. Dieser holte, ohne zu zögern, zum zweiten Schlag aus. Skrupellos zielte er auf die bewusstlose Plim, die gekrümmt vor seinen Füßen auf dem Boden lag.
Aber Primus war schneller. Er sprang Rabenstein so fest gegen die Brust, dass dieser rückwärts gegen die Felswand donnerte. Schaufeln und Eimer flogen, als Rabenstein den Boden unter den Füßen verlor. Doch er stand gleich wieder auf. Gebückt blickte er Primus von unten herauf an, wobei ihm die Spucke aus dem Mund lief.
»So, mein Freundchen«, schnaufte er, »jetzt bist du an der Reihe. Auf diesen Moment habe ich mich schon lange gefreut.«
Er bäumte sich auf und schwang den Spaten wie eine Sense. Primus wich schnell zurück. Zischend sauste das Metall an seinem Körper vorbei, verfehlte nur knapp seinen Hals und flog kurz darauf haarscharf über seinen Zylinder hinweg. Rabenstein kochte vor Zorn. Er säbelte durch die Luft, bevor er begann wie mit einem Hammer auf Primus einzuschlagen. Doch das Einzige, was er traf, war der Boden am Ufer.
Diese Gelegenheit machte sich Primus zu Nutze. Er stieg mit einem Fuß auf den Spaten und trat Rabenstein mit dem anderen direkt ins Gesicht. Rabenstein brüllte vor Schmerz. Er ließ den Spaten los, taumelte einige Schritte zurück und stolperte dann über die bewusstlose Plim. Kopfüber fiel er zwischen die Eimer und das übrige Grubenwerkzeug. Plim stöhnte. Sie öffnete langsam die Augen, blieb aber immer noch regungslos liegen. Ganz anders Rabenstein! Dieser rollte zur Seite und raffte sich auf. Wutentbrannt packte er einen Eimer und schleuderte ihn Primus entgegen. Dann griff er sich eine Spitzhacke.
»Primus«, flüsterte er, »du entkommst mir nicht. Egal wo du dich in Zukunft auch verstecken wirst, ich werde dich finden.« Er stieg über Plims Körper und kam auf ihn zu. »Das Erste, was ich machen werde, ist: Ich werde diesen Turm abfackeln. Sobald ich hier herauskomme, gehe ich es an. Das wird ein Feuerchen geben, darauf kannst du dich verlassen. Das Holz wird brennen wie Zunder. Hei, und erst dieser schäbige Spiegel. Schade, dass ich seinen Holzkopf nicht sehen kann, wenn er in Flammen aufgeht. Was meinst du, Primus? Ob er dann immer noch so kluge Sprüche von sich gibt, wie er es früher zu tun pflegte?«
Primus jedoch hörte ihm gar nicht zu. Vielmehr dachte er fieberhaft darüber nach, wie er Rabenstein wohl am besten aufhalten konnte. Doch sosehr er sich auch anstrengte, ihm fiel keine Lösung ein.
Unterdessen kam Plim wieder zur Besinnung. Jammernd hielt sie sich ihren Kopf, der fürchterlich schmerzte. Was zum heiligen Hexenbesen war nur passiert? Warum war es auf einmal so dunkel? Sie schaute sich um und erblickte die Öllampe. Dabei fiel es ihr wieder ein. Sie waren in dieser seltsamen Grotte, tief unter dem Wald. Aber warum tat ihr Schädel bloß so weh? Sie rieb sich die Augen, zwinkerte einige Male und starrte dann geradeaus. Zwar sah sie noch alles verschwommen und konnte sich kaum orientieren, aber das Bruchstück der Mondsichel hätte sie im Leben nicht übersehen. Dieses lag nur wenige Ellen entfernt vor ihrer Nase auf dem Boden. Sie musste es haben, und zwar um jeden Preis. Unter heftigen Anstrengungen und mit zusammenhangslosem Gebrabbel kroch sie langsam auf den Splitter zu.
Doch Rabenstein hatte sie nicht vergessen.
»NIMM DEINE DRECKIGEN HÄNDE DA WEG!!!«, brüllte er aus Leibeskräften.
Er ließ auf der Stelle von Primus ab.
Diese Hexe ist zäh, dachte er. Aber nun würde er ihr endgültig den Garaus machen. Er rannte zu Plim, holte mit dem Fuß aus und schoss das Stück bis ans hinterste Ende der Grotte.
»JETZT IST SCHLUSS«, schrie er, wobei er die Spitzhacke schwang.
Das war Primus eindeutig zu viel. Rabenstein war offensichtlich zu allem fähig. Wie der Blitz wechselte er seine Gestalt und flog zu ihm hin. Nun kannte auch er keine Gnade mehr. Mit aller Kraft heftete er sich an Rabensteins Kopf, grub ihm seine Krallen in die Haut und zerbiss ihm, so fest er nur konnte, das Gesicht. Rabenstein heulte vor Schmerz auf. Er ließ die
Weitere Kostenlose Bücher