Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee
Fliegenklatsche oder dummen Tricks, versprochen? Wir werden nicht lange brauchen. Im Flug schaffen wir es in einer halben Stunde.«
»Nichts da«, entschied Plim. »Wir zwei werden schön zu Fuß gehen.«
»ICH SOLL LAUFEN? Niemals! Weißt du überhaupt, wie lange wir für die Strecke brauchen?«
»Ist mir ganz egal«, sagte sie. »Was sollen denn bloß die Leute von mir denken, wenn ich auf dem Besen dahergeflogen komme. Da kann ich meinen Laden doch gleich dichtmachen.«
Primus gab sich geschlagen. Sie kletterten durch die Luke in die Küche und gingen ins Kaminzimmer. Dort stieg Plim auf ihren Besen und zog die Brille über.
»Dann bis morgen früh«, sagte sie.
Primus hob den Finger und streckte die Hand aus. »Hast du nicht etwas vergessen?«
»Was denn?« Plim stellte sich dumm.
»Meine Zeitung! Raus damit.«
Plim setzte ein gequältes Lächeln auf und zog den Zauberzirkel aus dem Einkaufsnetz. Dann flog sie mit lautem Knattern in die Nacht hinaus.
Geschichten einer Rätselrübe
P rimus hatte ausgezeichnet geschlafen und wachte erst spät am Morgen auf. Im Gegensatz zu Plims engem Einmachglas war sein altes Bett ein wahrhaftes Liegeparadies. Er schaute auf die Uhr: halb zehn! Herrje, um diese Zeit wollte er längst schon auf dem Weg nach Hohenweis sein. Mit einem Satz sprang er aus dem Bett. Er trat vor das Dachfenster, gähnte und streckte sich. Eine drückende Schwüle lag in der Luft. Primus lehnte sich aus dem Fenster und schaute zum Himmel. Über den Bleibergen brauten sich dicke Wolken zusammen. Spätestens morgen würde es ein Gewitter geben. Er nahm seinen Zylinder vom Bettpfosten, wechselte noch im Gehen seine Gestalt und flatterte wie gewöhnlich durch das Fenster nach draußen. Von Snigg war noch immer keine Spur zu sehen. Langsam fing Primus an sich Sorgen zu machen. Es passte gar nicht zu Snigg, dass er sich so lange nicht blickenließ. Aber Primus drängte die Zeit. Schließlich hatte er Plim versprochen noch am Morgen bei ihr einzutreffen. Schnell machte er sich davon.
Er schlug denselben Weg ein, den Plim letzte Nacht auf dem Besen zurückgelegt hatte, und flatterte über die Nebelfelder zum Mondwassersee. Nach einem kurzen Flug am Seeufer entlang erreichte er den Rand des Finsterwaldes. Von hier aus flog er dicht über den Bäumen nach Norden. Aus der Luft und bei Tageslicht erschien ihm dieser Teil des Waldes noch viel verwachsener als die vertrauten Gebiete rund um den Distelpfad. Weit und breit war keine Lichtung zu sehen. Primus schaute auf die Baumkronen hinunter. Das Blattwerk war so dicht, dass man dort unten wahrscheinlich auch bei Tag eine Lampe benötigte. Im Eiltempo ging es weiter.
Es dauerte nicht lange, schon tauchten in der Ferne hohe Tannenspitzen auf. Irgendwo in dieser Richtung musste auch Plims Laden liegen. Die kleine Waldlichtung würde bestimmt nicht sonderlich schwer zu finden sein. Doch noch bevor er die Tannen erreichte, fiel ihm auf, dass sich der Laubwald unter ihm veränderte. Die Bäume wurden immer niedriger, blattloser und verkrüppelter, bis sie schließlich ganz verschwanden. Was übrig blieb, war ein trostloser Streifen aus stacheligen Büschen und verschlungenen Rankenpflanzen, der sich bis zum Tannenwald erstreckte. Vereinzelt ragten aus dem Gestrüpp noch die Stümpfe alter Bäume, denen Misteln, Efeu oder andere Würgepflanzen schon vor langer Zeit den Garaus gemacht hatten.
Plötzlich hörte Primus unter sich aus dem Gebüsch ein heiseres Rufen. Er kippte zur Seite, machte eine Kehrtwendung und flog ein Stück zurück. Aber er schien sich getäuscht zu haben. In diesem Gewirr aus Kletterpflanzen konnte er niemanden erkennen. Gerade wollte er sich wieder auf den Weg machen, da ertönten die Rufe erneut. Primus flog tiefer und entdeckte schließlich, unter wildem Efeu verborgen, einen dicken orangefarbenen Ball. Nein – das war kein Ball! Primus konnte es nicht fassen. Es war niemand anderer als Snigg, der kopfüber eingewickelt in den Schlingpflanzen hing. Primus landete vor ihm auf einem Ast und schaute sich den Schlamassel an, in den der Kürbis da geraten war.
»Darf ich fragen, was du hier tust? So weit hast du dich doch noch nie von deinem Komposthaufen entfernt.«
»Ich hatte Hunger«, jammerte Snigg und pustete sich die Obstfliegen aus dem Gesicht.
»Und da hüpfst du ausgerechnet hierher?« Primus war erstaunt.
»Ach was«, brummte Snigg gereizt. »Im Wald bin ich gewesen. Ich hatte auch schon etwas zu essen gefunden. Du kannst
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