Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee
dir nicht vorstellen, was ich alles durchgemacht habe.« Snigg rollte mit den Augen. »Erschlagen, ertrunken und jetzt auch noch erwürgt. Aber das erzähle ich dir alles später. Jedenfalls wollte ich wieder zurück nach Hause, als mir auf einmal der Duft von Pfifferlingen in die Nase gestiegen ist. Pfifferlinge!«, rief er sehnsüchtig. »Ich bin daraufhin quer durch die Büsche bis hierher …« Er stockte und schrie dann plötzlich aus voller Kehle: »JETZT HOL MICH ENDLICH HIER RAUS!!!«
Vorwurfsvoll schüttelte Primus den Kopf. Dann deutete er auf das Gestrüpp. »Das sieht man doch gleich, dass man sich hier verheddert.«
»Verheddert ist gut«, schnaubte Snigg. »Das Zeug wickelt dich von ganz alleine ein. Da bleibt dir gar keine Zeit, dich zu verheddern.«
Primus strich sich mit dem Flügel über den Kopf. Wie sollte er Snigg bloß hier herausbekommen? Wenn er sich in seine normale Gestalt verwandeln würde, dann könnte er den dicken Kürbis zwar befreien, aber viel bringen würde das nicht. Schon nach wenigen Sprüngen würde er wieder genauso im Gebüsch festhängen, wie er es jetzt gerade tat. Er konnte ihn auch nicht tragen, denn in diesem Fall würden sie beide in dem Gewirr stecken bleiben. Und als Fledermaus konnte er den schweren Kerl nicht einmal anheben. Doch dann kam ihm eine Idee.
»Warte einen Augenblick«, sagte er. »Ich fliege nur schnell los und hole Hilfe.«
»Du willst mich hier alleine lassen?«, rief Snigg. »Das kannst du doch nicht machen. Wickle mich vorher gefälligst aus!« Er zog ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter und fing fürchterlich zu winseln an.
Primus aber sauste über die Büsche davon. »Kein Grund zur Panik!«, rief er. »Ich bin gleich wieder da.« Sprach’s und verschwand hinter den Tannen.
Wenige Minuten später hatte er die Lichtung mit Plims Spielzeugladen gefunden. Plim stand mit einer Gießkanne im Garten und goss die Tomaten. Chuck die Vogelscheuche hatte ihn sogleich gesehen. Freudestrahlend stand er im Salatbeet und winkte ihm zu.
»Seht mal, Miss Plim!«, rief Chuck. »Da ist ja diese todschick gekleidete Fledermaus wieder. Ich finde, so ein Hut würde mir auch gut stehen. Schwarz hat ohnehin etwas Geheimnisvolles. Findet Ihr nicht auch, dass …«
Plim drehte sich um und sah zu Primus auf. »Weißt du eigentlich, wie spät es ist?!«, rief sie. »Fast zehn Uhr! Wir brauchen bestimmt zwei Stunden, bis wir in Hohenweis sind, und ich will heute noch einkaufen.«
Primus landete auf Chucks ausgestrecktem Arm. »Tut mir leid, ich habe verschlafen. Wir müssen vorher nur noch schnell etwas erledigen. Hast du vielleicht eine große Tasche und ein langes Seil? Ein Freund von mir steckt da hinten im Gestrüpp und kommt nicht mehr heraus. Genau auf der anderen Seite der Bäume.«
Plim zog die Oberlippe hoch.
Doch Primus fuhr im gleichen Atemzug fort: »Ich packe ihn einfach in die Tasche und du ziehst ihn im Flug heraus.« Dann fügte er hinzu: »Das geht schon in Ordnung. Dort hinten sieht dich gewiss keiner, wenn du auf deinem Besen sitzt.«
»Wovon redest du? Was ist das für ein Freund, der in eine Tasche passt? Doch nicht etwa dieser knochige Kerl aus deiner Uhr?«
Primus schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er, »es ist ein Kürbis. Der wohnt bei mir auf dem Komposthaufen. Also komm schon, bevor noch mehr Zeit vergeht.«
Plim stellte ihre Gießkanne ab und stapfte mit gelupftem Rock über das Gemüsebeet. »Tsss, bevor noch mehr Zeit vergeht …«
Sie marschierte ins Haus, kam aber schon kurz darauf mit einer großen Tragetasche wieder heraus. Primus flog ihr entgegen.
»Steck deinen Freund schon mal hier hinein«, sagte sie und reichte ihm die Tasche. »Ich komme gleich nach und hole ihn ab.« Mit diesen Worten verschwand sie im Haus.
Primus flatterte, so schnell er konnte, durch die Lichtung und über die Bäume zum Dornenfeld zurück. Deutlich konnte er das struppige Büschel erkennen, das unter Sniggs Befreiungsversuchen wie wild umherwackelte. Primus setzte zur Landung an und verwandelte sich in seine menschliche Gestalt. Mühevoll machte er sich daran, den Kürbis aus den Ranken zu wickeln. Das Gestrüpp war widerspenstig und stachelig. Außerdem kam es nun auch bedrohlich schnell auf Primus zugekrochen.
Endlich hatte er es geschafft. Snigg war von den Schlingpflanzen befreit. Primus stieß mit den Füßen die letzten Ranken zur Seite und stemmte den Kürbis in die Tasche. Für Snigg war das alles zu viel.
»Ich bekomme hier
Weitere Kostenlose Bücher