Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee
zu können. An der Vorderseite des Hügels zeichnete sich in einer dünnen, glühenden Linie die Kontur eines Türrahmens ab. Primus begann zu laufen.
Mit jedem Schritt, mit dem er sich dem Hügel näherte, wurde die Kontur deutlicher und deutlicher. Schließlich verblasste das Gras, die Halme verschwanden und eine hölzerne Tür tauchte auf.
Plim war ihm sofort gefolgt. »Das ist ja nicht zu fassen«, flüsterte sie. »Geht das etwa bei jeder von diesen Türen?«
»Sieht ganz danach aus«, strahlte Primus. »Man muss lediglich wissen, wo sie versteckt sind.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Na, was wohl?« Er zeigte mit dem Kopf zur Tür. »Da gehen wir jetzt rein.«
Er hob die Hand und pochte gegen das Türblatt. Kurz darauf ging es auf. Für Primus war dies die Erfüllung eines seiner sehnlichsten Wünsche. Er blickte in einen erleuchteten Gang, der schräg in den Erdboden hinabführte. Im Gegensatz zu dem geräumigen Tunnel, den Primus letzte Nacht durchflogen hatte, war dieser Stollen eher eng und niedrig. Eichene Holzbalken stützten die Decke, von der in regelmäßigen Abständen kleine Leuchtschalen baumelten. Ein Kobold mit einem dicken Bauch starrte sie fragend an. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und fuchtelte Primus mit einer Laterne vor der Nase herum.
»Seid ihr etwa auch eingeladen?«
Primus hielt die Luft an. Er spitzte die Lippen und blickte zu Plim.
Doch diese Frage gehörte zweifellos zu jener Sorte, bei der man bei Miss Plim nicht lange auf eine Antwort warten musste. »Natürlich«, sagte sie trocken, »die warten schon alle auf uns. Wir wollten ja eigentlich schon viel früher kommen, aber du weißt ja, wie das ist. Verpflichtungen und Termine. Dann wird man wieder aufgehalten … Es ist eben immer das Gleiche.«
»Schon gut«, brummte der Wächter. »Aber deinen Schrubber lässt du gefälligst draußen.« Er deutete auf Plims geliebten Rennbesen.
»Was soll ich?!«, rief sie empört. »Ich denke ja gar nicht daran. Den nehme ich schön mit!« Sie zeigte mit dem Finger auf die Nase des Kobolds. »Weißt du eigentlich …«
Primus zog sie beiseite. »Lass das Ding hier«, drängte er. »In den engen Gängen wird er uns sowieso nicht viel bringen.«
»Ach ja?«, grummelte sie. »Und wo soll ich ihn hinstellen, hä? Glaubst du vielleicht, ich lasse ihn hier einfach so auf dem Feld herumliegen?!«
»Den klaut schon keiner«, versicherte Primus. »Da hinten ist ein Gebüsch. Leg ihn einfach dort hinein und wir holen ihn später wieder ab.«
Plim zog eine Schnute. Widerwillig versteckte sie den Besen zwischen den Sträuchern am Waldrand, bevor sie mit eingezogenen Köpfen den Stollen betraten.
»Wenn der nachher nicht mehr da ist«, sagte sie im Vorbeigehen zu dem Wächter, »dann wirst du dein blaues Wunder erleben. Wir sind nämlich die Ehrengäste !«
Primus verdrehte fassungslos die Augen.
Sie waren erst wenige Schritte weit gekommen, als sie den Kobold hinter sich schreien hörten:
»HALT«, schallte es im Befehlston durch den Gang. »STEHEN BLEIBEN!«
Die zwei blickten sich an. Gequält verzog Plim das Gesicht, während sich beide ganz langsam umdrehten. Die Hände in die Hüften gestemmt, stand der Koboldwächter neben der Eingangstür.
»Gehört der da etwa auch zu euch?«, fragte er, wobei er mit dem Kopf zum Boden deutete.
Auf der Schwelle saß Snigg, der sie mit großen Augen anschaute. Erleichtert atmete Primus aus.
»Ja«, sagte er, »das ist ein Freund von uns. Den hätten wir beinahe vergessen.«
Snigg hüpfte am Wächter vorbei, woraufhin dieser die Tür hinter ihm zuzog.
Mit dem Einrasten des Schlosses verschwand der Eingang an der Außenseite des Hügels. Dichtes Gras bedeckte nun wieder die Stelle, wo kurz zuvor noch die Pforte gewesen war. Niemand hatte in jener Nacht das Schauspiel beobachtet, das sich hier am Waldrand abgespielt hatte. Niemand hatte gesehen, dass die Tür aufgegangen war und die drei in das Reich der Kobolde hinabgestiegen waren. Niemand außer einem Schwarm Krähen. Diese zogen in sicherer Entfernung über dem Schauplatz ihre Kreise, bevor sie in Windeseile in Richtung Hohenweis jagten.
Geflüster im Dunkeln
I mmer tiefer führte der Stollen ins Erdreich hinab. Die Luft war kühl und es roch nach Lehm und alten Wurzeln. Snigg sprang hinter den beiden her, die in gebückter Haltung vorauseilten. Wie eine Kette aus Lichtern wiesen ihnen die leuchtenden Schalen den Weg. Primus hob den Kopf. Im Vorbeigehen tippte er gegen eine der
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