Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee
aber hole ich mir das, wonach ich schon seit mehr als einer Ewigkeit suche. Ich hatte immer geglaubt, die wenigen Splitter, die von der Mondsichel übrig geblieben sind, würden im Mondwassersee liegen. In Ulmes Aufzeichnungen stand zumindest etwas von einem See. Du kannst dir daher nicht vorstellen, wie erstaunt ich war, als mir die Kobolde vorhin erzählten, es gäbe noch einen weiteren, einen unterirdischen See im Unkrautland. Der Schneckenbach hat demnach tatsächlich einst Stücke der Mondsichel mit sich fortgetragen und in den Erdspalt gespült. Wer hätte das gedacht? Wir beide waren also damals doch auf der richtigen Spur. Aber dass sich das Wasser unter dem Boden hindurch bis zu einem unterirdischen See schlängelt, darauf bist nicht einmal du gekommen.« Rabenstein verzog das Gesicht und schmunzelte abfällig.
»Ich habe mich natürlich reichlich für diese Auskunft bei den Kobolden bedankt«, fuhr er fort. »Außerdem habe ich ihnen gesagt, dass ihr zwei ganz gefährliche Gauner seid und dass sie schön auf euch aufpassen sollen. Wahrscheinlich werden sie das auch für die nächsten paar Jahre tun.« Er nickte respektvoll. »Ein ausgesprochen zuvorkommendes Völkchen, diese Hügelkobolde«, sagte er. »Man möchte es nicht glauben, aber die haben mir sogar den Weg beschrieben, wie ich zu diesem See komme.« Er machte eine Verbeugung.
»Dann adieu, mein Freund. Ich hoffe, dein neues Zuhause gefällt dir. An dunkle Löcher dürftest du dich doch eigentlich schon gewöhnt haben, oder?«
»RUVEN!!!«, schrie Primus ihm nach. »Lass uns sofort hier raus!«
Er hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. Doch es kam nur ein gellendes Lachen, das langsam in der Dunkelheit verstummte.
Plim gab ein entrüstetes Brummen von sich. »Was machst du denn für einen Lärm? Ist der Kürbis etwa schon wieder da?« Sie rieb sich die Augen. »Der werte Herr wird sich doch nicht etwa bequemt haben, so schnell wieder zu uns zurückzukommen.«
»Nein«, antwortete Primus, »von Snigg ist weit und breit nichts zu sehen. Dafür war Rabenstein hier!«
»Was?«, rief Plim und sprang auf. »Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Wir müssen hier raus«, drängte Primus, »und zwar so schnell wie möglich. Rabenstein weiß über alles Bescheid. Auch darüber, wo der Leuchtende See ist.«
»Das darf doch nicht wahr sein«, rief Plim. »Wir müssen sofort diese dämliche Tür aufbekommen.«
Rasend vor Zorn trat sie mit dem Fuß dagegen. Doch das Einzige, was passierte, war, dass sie sich den Zeh stieß.
»Autsch«, heulte sie und hüpfte auf einem Bein. »Diese dumme, blöde, alte, modrige HOLZTÜR! Dämlich, dumm und blöd!« Sie zog eine Schnute, bevor sie jammerte: »Und hart.«
Die Grotte
E in unaufhörliches Knacken erfüllte den Raum. Es raschelte und knabberte in der kleinen Wachstube, als wäre eine ganze Horde wild gewordener Eichhörnchen am Werk. Die Wachstube war eng, hatte schiefe Wände und erschien sogar für Koboldverhältnisse überaus niedrig. Doch davon einmal abgesehen – ungemütlich war sie trotz alledem nicht, ganz im Gegenteil. Ein Feuerchen flackerte in einem verrußten Eisenofen, neben dem sich ein Haufen gehackter Eichenspäne türmte. Es gab eine kleine Kommode, zwei hölzerne Schränkchen sowie ein überladenes Bord voll mit Tellern, Töpfen und Bierkrügen. Den meisten Platz beanspruchte jedoch ein wuchtiger Tisch, der in der Mitte des Raums stand. Dieser war rund, wurmstichig und mit einer rot-weiß karierten Tischdecke bezogen. An diesem Tisch saßen nun die beiden Wächter und warteten auf das Ende der Nachtschicht.
Jeder von ihnen hatte einen Abfallkübel zwischen die Knie geklemmt, hielt einen Nussknacker in der Hand und kramte in einem Sack mit Steinnüssen. Steinnüsse gab es im Unkrautland zu jeder Jahreszeit. Sie sahen aus wie dunkle Walnüsse, schmeckten ein bisschen wie Mandeln und wuchsen in rauen Mengen tief in der Erde. Zwar musste man sich durchaus ein wenig anstrengen, um die harten Schalen zu knacken, aber dafür schmeckte das Innere der Nüsse anschließend umso besser.
Doch leider zählte gerade Anstrengung zu jenen Dingen im Leben, mit denen die beiden trägen Herren rein gar nichts am Hut hatten.
»Unpraktisch«, schnaufte der kleinere der beiden Wächter. »So was von unpraktisch.«
Er hatte seine Keule hinter sich an die Wand gelehnt und quetschte mit einem verbissenen Gesicht den Nussknacker zusammen.
»Genau«, schmatzte der andere, »unpraktisch, aber ziemlich
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