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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Haus«, sagte Manfredo. »Heute noch. Diese Erpressung, das ist doch ein Fingerzeig, oder nicht?«
    Dr. Nowak antwortete nicht. Er hielt nichts von überstürzten Aktionen, vom Labor her war er an exakte Planung gewöhnt; Einfälle waren gut, aber wenn sie sofort in die Praxis umgesetzt wurden, gab es in den meisten Fällen ein Fiasko. Aber er sagte nichts. Er wollte mit der chemischen Arbeit beginnen, er brannte darauf, die Zwangspause dauerte schon zu lang. Die Amphetamine würden nebenher gehen, interessieren tat ihn sein eigenes Projekt, an dem er schon lang herumknobelte. Davon wusste Manfredo nichts, und er musste auchnichts davon wissen. Aber es war besser, ihn aus dem Haus zu haben. Am besten mit ein paar Säckchen weißen Pulvers auf dem Weg nach Wien. Je eher, desto besser.
    »Hast du eine Schaufel?«, fragte er.
    »Alles da. Schaufeln, Spitzhacken, was du willst.«
    »Eine Plane brauchen wir auch noch. Oder eine Decke.«
    »Ja, ja, schon gut. Mir ist klar, was wir brauchen!«
    Dr. Nowak sagte nichts mehr. Er ging ins Labor zurück.
    »Wo willst du hin?«, rief ihm Manfredo nach.
    »Arbeiten. Irgendwer muss nebenbei auch noch ein bisschen arbeiten, oder? Nach Lage der Dinge bin ich das. Jedenfalls hab ich das Agreement so verstanden …«
    »Schon gut, entschuldige, du hast ja recht, ich bin nur so … ich weiß nicht …«
    »Alles klar, es ist deine Oma, das verstehe ich schon. Aber wir müssen uns jetzt am Riemen reißen, sonst können wir gleich aufgeben und die Polizei anrufen. Ich wüsste allerdings nicht, wie ich denen den Schlamassel erklären soll – so, dass sie’s auch verstehen. Ich versteh es ja selber kaum. Die gefrorene Oma, das Labor, die Erpressung …«
    »Und total unschuldig müssten wir auch noch rauskommen.«
    »Siehst du! Das ist kaum möglich. Also lassen wir die Polizei einfach draußen. Einverstanden?«
    Manfredo nickte.
    »Geh rauf und schenk dir einen Whisky ein. Es dauert noch ein paar Stunden, bis es richtig dunkel wird.«
    Dr. Nowak zog die Labortür hinter sich zu und atmete tief durch. Dann fing er an zu kichern. Auf eine bestimmte lautlose Weise – das war übrigens eine von den vielen Sachen, die seine Frau an ihm nicht vertragen hatte. Er setzte sich an den Labortisch. Worauf hatte er sich da eingelassen? Er sollte in diesem Labor illegale Substanzen herstellen. Im Kilomaßstab, nicht alsZwei-Gramm-Gefälligkeit für einen Kumpel vor dem Techno-Wochenende. Im Nebenraum lag die Leiche einer Frau, die er nicht kannte, bei minus achtzehn Grad in einer Tiefkühltruhe. Und ebendeswegen lief nun eine Erpressung; angeblich war die Dame ermordet worden. Von seinem – wie sollte man sagen? – Chef. Der hatte erst einen Unfall behauptet, jetzt, wo das Geld weg war, kam er auf Raubmord. Fakten: Frau Leupold tot, Geld weg. War aber jemals eines da gewesen? Und wenn ja, hatte nicht vielleicht Manfredo selber, el jefe , das Geld genommen? Und vorher der Oma eine über den Kopf gehauen? Das Ockham’sche Messer: Die einfachste Erklärung ist die … daran durfte er gar nicht denken. Ich sollte hier rausgehen und verschwinden, dachte Dr. Nowak, das einzig vernünftige Verhalten. Er machte einen Schritt auf die Tür zu.
    – Tut mir leid. Manfredo, die Sache wird mir zu heiß. Ich steige aus. –
    – Was fällt dir ein, du kannst mich nicht hängenlassen! –
    – Doch, kann ich. –
    – Dann zieh ich dich mit rein, ich sage der Polizei … bla, bla, bla … –
    Gar nichts könnte Manfredo der Polizei erzählen. Romuald Nowak schon. Interessante Dinge. Er käme in die Zeitung. »Illegales Drogenlabor ausgehoben.« »Drogenring gesprengt.« Und noch ein paar Schlagzeilen mit Drogen. »Rauschgiftprofessorin tot aufgefunden.« Nicht, dass Dr. Romuald Nowak nicht hätte in die Zeitung kommen wollen. Hätte er schon, aber nicht unter diesen Schlagzeilen. Unter anderen, ganz anderen. Jedes Mal, wenn er daran dachte, flimmerte die Luft, sein Atem ging schneller, er sah sich von außen unter einem Haufen Frackträger, er selber auch im Frack, das sah er ganz deutlich, der Frack stand ihm, fand er, dann trat er vor, Carl Gustav begrüßte ihn, die Urkunde, der Applaus … an diesem Herbstabend in Stockholm. Geißel der Menschheit bezwungen … Wohltäter … und so weiter. Und so fort. Nein, nicht für Chemie. Chemisch war da nicht so viel dran, dass es für den Preis gereicht hätte. Aber für »Medizin und Physiologie« … wegen der überragenden

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