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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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noch einmal zu fragen oder etwas anderes, als sei die erste Frage rhetorisch gewesen. Wer so etwas machte, erregte seinen Zorn. Charly hatte Geduld und Erfahrung genug zu warten.
    »Wenn man ihn gefunden hätte«, erläuterte nun Bindl seine Sichtweise, »dann hätte sich die Aufmerksamkeit der Polizei notgedrungen auf seine Tätigkeit konzentriert …«
    »Notgedrungen …«, wiederholte Charly. Er sprach so langsam, als habe er das Wort noch nie gehört. Das war aber nicht so; Charly versuchte nur, durch langsames Wiederholen den Eindruck angestrengten Nachdenkens zu erwecken. Bindl schätzte das.
    »Wenn ein Sesselfurzer in so einem Provinzkaff Dampf macht, schaut die Polizei genauer hin. Ich kenn doch die Typen! Wenn denen einer etwas am Auto macht, würden sie am liebsten Amok laufen. Da langt es schon, wenn er nur die Einfahrt blockiert. Also wird die löbliche Polizei versuchen, demjenigen noch was Zusätzliches anzuhängen. Wer ist das überhaupt? Ein Schnüffler? Na, mehr braucht’s nicht!«
    Charly lachte lauthals. Dafür wurde er von Kollegen bewundert und beneidet, dass er ein untrügliches Gespür dafür hatte, wann man bei Bindl lachen durfte. Und wann man musste.
    »Wir wollen die Polizei aber nicht in der Nähe dieser Villa haben, verstehst du? Nicht einmal gedanklich. Ich will keine polizeilichen Aktivitäten im Umkreis von dreihundert Metern um dieses Haus. Wenn dort die Quelle ist, dann lassen wir sie selber versiegen, dazu brauchen wir keine staatliche Unterstützung. Was glaubst du, ist passiert?«
    Bindl liebte solche Zwischenfragen, die er wie Pfeile aus dem Hinterhalt abschoss, um die unter den Zuhörern zu enttarnen, die Zuhören und Mitdenken nur simuliert hatten. Charly war auf der Hut.
    »Ganz klar: Die haben ihn entdeckt und ausgeschaltet. Anders ist das nicht erklärbar.«
    »Sehr gut, Charly! Keine Ausflüchte, keine Gedankenfaulheit – wie ich es leider bei anderen feststellen muss … es ist deine Annahme die unangenehmste und zugleich die willkommenste. Warum?«
    Man konnte es mit der Schlauheit bei Bindl auch übertreiben, aber Charly, das wusste er, hatte durch die erste Antwort einen Bonus, da war er jetzt auf sicherem Grund und durfte sich Gedanken machen. Ohne Stress, einfach ein bisschen nachdenken und schauen, was dabei herauskam.
    »Nun, äh, unangenehm … na ja, wenn es so ist, wie ich glaube, dann sind das ziemlich kalte Brüder – ich meine, wenn sie ihn tatsächlich haben verschwinden lassen. Das würde heißen, die fackeln nicht lange …«
    »Sehr gut! Und warum kommt uns das andererseits sehr entgegen?« Bindl blickte Charly mit großen Augen an. Es ist, dachte der, verdammt noch mal wie in der Schule, er wartet auf eine richtige Antwort, er hofft darauf wie damals Herr Fässler, der hat sich über jede richtige Antwort gefreut; nicht wie die anderen Kotzbrocken, die einen nur in die Scheiße reiten wollten. Wenn mehr Lehrer so gewesen wären wie Herr Fässler – dann säße ich jetzt nicht hier, dachte er, dann wäre alles andersgekommen, dann hätte ich einen Abschluss gemacht und nicht mit der Klauerei angefangen. Und Mama hätte es nicht so schwer gehabt … bei diesem Gedanken trat ihm das Wasser in die Augen, er konnte nichts dagegen tun, das war jedes Mal so. Und jedes Mal in einem ungünstigen Moment.
    Er nahm einen Schluck Bier, holte tief Luft und sagte mit leiser Stimme: »Uns kommt das entgegen, weil wir jetzt wissen, was los ist. Die Ungewissheit ist vorbei.«
    »Sehr gut!« Bindl freute sich. Man konnte es an seinen Augen sehen. In diesem Moment waren sie wie die Augen von Herrn Fässler gewesen waren. Nur bei Bindl kam gleich darauf ein anderer Blick, der ganz anders war als bei Herrn Fässler. Aber das konnte auch nicht anders sein. Bindl war ja nicht der Herr Fässler und das hier war keine Schule. Und Abschluss würde Charly auch keinen mehr machen. Er würde auch nie einen brauchen.
    »Du hast mit allem recht«, sagte Bindl. »Genau in dem Augenblick, als unser Mann die Beweise liefern wollte – lassen sie ihn verschwinden. Hört sich nach etwas gut Organisiertem an. Was ist denn das grundlegende Kennzeichen einer Organisation, Charly?«
    Charly holte tief Luft. Nein, bitte nicht! Jetzt fiel Bindl total in diese Lehrerrolle, das war mühsam. Das Luftholen war ein Trick von Charly. Leute, die Bindl nicht gut kannten, ließen an dieser Stelle die Luft raus , das hörte sich an wie Seufzen. Es war Seufzen, und Bindl bekam es mit. Er

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