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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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wurde dann sehr ungehalten. Schlauer war, die Luft reinzuziehen und den Chef Lehrer sein zu lassen.
    »Das grundlegende Kennzeichen einer Organisation … dass … dass es mehrere sind, oder?«
    Bindl lachte laut auf. Das war gut. Lachen tat er, wenn er sich wirklich amüsierte. Über andere natürlich. Es war mühselig, aber einfach. Für Charly war Bindl wie ein offenes Buch.
    »Vollkommen richtig, Charly! Es müssen schon mehrere sein, mindestens so viele, dass es was zu organisieren gibt, verstehst du? Eine Struktur mit Chefs und Mitarbeitern, mit Aufgabenverteilung und so weiter. Wie viele müssten es sein, mindestens?«
    »Sicher mehr als zehn, würd ich sagen.«
    »Da hast du sehr recht, Charly. Ich sag ja immer: Wo der Charly recht hat, hat er recht!« Er verstrubbelte Charlys blonden Haarschopf beim Vorbeigehen. Jeder andere hätte diese kleine Geste schneller bereut, als er Nasenbein sagen konnte, aber Bindl war der Chef. Charly blieb stoisch und sitzen. Bindl wanderte dozierend in der Küche auf und ab. Wie in der Schule eben.
    »Es sind bei einer Organisation sicher mehr als zehn Leute. Zehn sind ein Kegelverein, aber keine Organisation. Wie kommen wir überhaupt auf den Begriff? Weil du angenommen hast, sie hätten ihn ausgeschaltet. Organisationen machen das so, unsere zum Beispiel, da hast du recht. Und warum sollte das hier nicht so sein?«
    »Ich habe keine Ahnung, Chef. Ich dachte, das liegt auf der Hand.«
    »Überleg doch: Wie hat das Ganze angefangen?«
    »Du hast diesem Guttmann den Auftrag gegeben, weil uns da jemand Konkurrenz macht, jemand aus dem Westen …«
    »Schön, das ist richtig. Und wie ging’s dann weiter?« Bindl war stehen geblieben, stützte vor Charly die Hände auf die Tischplatte. Wie Herr Fässler, wenn er einem etwas so erklären wollte, dass man von selber draufkam.
    »Dann hat der Guttmann gemeldet, die Quelle ist in Dornbirn, und er hat den Verdacht, es ist diese Frau Leupold.«
    »Genau so war es, gut! Und was hab ich damals noch gesagt?«
    Bindl war in deutsches Idiom verfallen. Er sprach wie einPiefke, wie immer, wenn ihn etwas aufregte. Er stammte irgendwo aus Ostdeutschland, Ex-DDR, danach zu fragen war nicht opportun.
    »Hmm … du hast gesagt, es geht nicht um die Menge, sondern ums Prinzip, man muss … warte … den Anfängen wehren: Das hast du gesagt, Chef!«
    Bindl lächelte. Er war glücklich, dass sein Untergebener sich das alles so gut gemerkt hatte. Es war auch keine Kunst, sich das zu merken. Den Anfängen wehren war eine Bindl’sche Lieblingsfloskel, die er häufig verwendete.
    »Und warum, mein lieber Charly, hab ich wohl gesagt, die Mengen sind nicht das Problem?«
    »Weil die Mengen klein sind … ach so.«
    »Eben. Ach so! Die Mengen, die diese Leute auf den Markt bringen, sind nicht bedeutend, das könnten wir verschmerzen. Ein kleiner Mitbewerber halt. – Aber wir sind nicht im Lebensmittelhandel. Auch nicht im Textilhandel oder sonst so was. Wir sind ja auch nicht in der verdammten Handelskammer!« Er lachte laut auf, Charly fiel ein. Von allen Untergebenen konnte Charly am glaubwürdigsten Heiterkeit mimen, wenn Bindl etwas von sich gab, was er für witzig hielt. Bindl nahm seinen Rundgang durch die Küche wieder auf. »Halten wir fest: Da steht keine Riesentruppe dahinter. Zwei, drei Leute, mehr nicht …«
    »Von denen keiner in der Lage wäre …«
    »Sehr richtig, mein lieber Charly! In der Lage wäre, den Guttmann umzubringen. Was heißt umbringen! Das ist die Art Leute, die Auseinandersetzungen scheut. Was das betrifft, gesetzestreue Bürger. Wieso also ist der Schnüffler nicht mehr aufgetaucht?«
    »Die haben sich geeinigt.«
    »Wie auch immer. Ich habe keine Ahnung, was sie ihm für Märchen erzählt haben, Beteiligungen, was auch immer.«
    »Die haben ihm einen Haufen Geld versprochen«, sagte Charly.
    »Auf jeden Fall mehr, als ich ihm bezahle. Aber was willst du: Der Mensch ist gierig.«
    »Warum hat er sich dann nicht gemeldet? Ich meine, um den Preis hochzutreiben?«
    Charly hatte seinen Satz noch nicht beendet, als er seinen Fehler bemerkte. Auf ein Loch gezeigt, ein klaffendes Loch in Bindls Argumentation. Kein Lehrer goutiert so etwas, Bindl erst recht nicht.
    »Na und?«, sagte er. Seine Stimme war leise geworden, alle Emotion daraus verschwunden. »Hat sich halt nicht getraut.« Aber den Auftrag zu verweigern und sich einfach nicht zu melden wie ein säumiger Handwerker – das traut er sich schon? Charly

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