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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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fünfstöckigen Blocks. Er hatte sie von betuchten Studentinneneltern gekauft, als das Töchterchen ihr Publizistikstudium endlich hingeschmissen und eine Stelle als Marketing-Assistentin im heimatlichen Oberösterreich ergattert und die Eltern von einer finanziellen Last befreit hatte; denn so betucht waren die Eltern auch wieder nicht. Für Bindl hatte die Lage Vorteile. Der Gürtel war nicht weit. Bindl hätte sich etwas weitaus Besseres in Döbling leisten können, aber die Natur seiner Geschäfte machte es opportun, die Aufmerksamkeit amtlicher Stellen, ganz egal welcher, nicht zu sehr auf die eigene Person zu lenken. Und das, was diese Person den ganzen Tag so trieb. Offiziell betrieb die Person Fritz Bindl ein Café im achten Bezirk. Dort hatte er drei Angestellte. Dieses Etablissementwarf so viel ab, dass die Dachgeschosswohnung glaubhaft »dargestellt« werden konnte, wie der Steuerberater Mag. Hinterpointner dies ausdrückte; aber eine Villa in Döbling hätte sich eben nicht darstellen lassen. Man darf auch nicht sagen, dass Fritz Bindl sein Café als reine Tarnung betrieb. Im Gegenteil: Er war gern dort, unterhielt sich den ganze Tag lang mit den Gästen. Er fand das interessant. Studenten, Medienleute, durchmischtes Publikum – aber auch wieder nicht so hip, dass er es zu einem Bericht im »Falter« gebracht hätte. Das war ihm ganz recht.
    Fritz Bindl war gern Cafetier. Was er sonst noch war, das war er weniger gern, weil die meisten ernsten Schwierigkeiten seines Lebens mit diesem anderen Beruf zusammenhingen. Jetzt zum Beispiel. Er wäre an diesem schönen Herbsttag gern im Lainzer Tiergarten spazieren gegangen. Er liebte die Natur, was die Mehrzahl seiner Untergebenen als Marotte ansah, über die aber keine Witze gemacht wurden. Man konnte nicht wissen, wer sie ihm hinterbrachte, die Witze. Und wie er dann reagierte. Er lachte zwar gern, das hätten alle bestätigt, die ihn kannten, aber er hatte genauso unbestritten keinen Humor. Bei diesen Untergebenen (es handelte sich dabei nicht um das Kaffeehauspersonal) herrschte, man muss es leider sagen, eine Atmosphäre des Misstrauens und gegenseitiger Verdächtigungen. Man muss aber auch sagen, dass dieser negativen Einstellung durch regelmäßige und bedauerliche Vorkommnisse immer wieder Vorschub geleistet wurde. Es lag am Metier und den umgeschlagenen Summen. Ein solches Vorkommnis bahnte sich nun an. Davon wusste noch niemand, aber Fritz Bindl ahnte sein Kommen. Er hatte die Gabe, gewisse Ereignisse früher spitzzukriegen als alle anderen und sich darauf vorzubereiten. Dem verdankte er seine Stellung in der Runde seiner Geschäftspartner (gemeint ist nicht die Innung der Wiener Cafetiers).
    Im aktuellen Fall handelte es sich nicht darum, dass etwas passiert war. Passiert war gar nichts, das war es ja eben: Ein Ereignis, das hätte stattfinden sollen, hatte das nicht getan. Ein Bericht hätte eintreffen sollen. Schon seit vier Tagen. Das war nicht geschehen. Man konnte den Berichterstatter auch nicht fragen, ob er den Auftrag vergessen oder das Ergebnis verschludert hatte, denn der Berichterstatter war verschwunden. So etwas hatte es in der Zeit, da Bindl die Geschäfte führte, noch nie gegeben. Er verstand bei Aufträgen, die er erteilt hatte, sozusagen keinen Spaß.
    Er trat vom Geländer zurück und ging in die Küche. Die Wohnung erstreckte sich über zwei Etagen, die Wohnküche bildete die obere und dort zugleich den einzigen Raum, über eine schmale Freitreppe war das untere Stockwerk erreichbar, drei Räume, Dachschrägen auf der Straßen-, gerade Wände auf der Hofseite; jene verwinkelte Architektur, die entsteht, wenn der Architekt versucht, möglichst viele Quadratmeter verkaufbare Wohnfläche in die spitzgiebeligen Dachböden der 1880er Jahre hineinzuquetschen. Das Beste an der Wohnung war die Terrasse, wo er Sommerabende mit Trinken verbrachte, über eine Leiter ging es noch einen Stock höher auf eine kleine Plattform auf Höhe der Kamine, von dort bot sich ein Rundblick über die Stadt mit ihren Wahrzeichen, aber Bindl stieg nie hinauf, er hatte keinen Bedarf an schönen Aussichten, und Wien kannte er aus allen Perspektiven. Das mit der Leiter und der Aussicht beeindruckte die Erstkäufer aus der österreichischen Provinz; die allerhöchst gelegene Plattform war bei Dachbodenausbauten inzwischen obligatorisch, schon weil man »zu Silvester das Feuerwerk über der Stadt so schön beobachten kann«.
    Es läutete an der Tür. Bindl stieg

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