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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Leidens- bringt eben keine Verdoppelung der Glaubenszeit hervor, sondern nur eine Steigerung von im Mittel fünfzehn Prozent, unterschiedlich bei den einzelnen Individuen. Es liegt einfach daran, dass der Mensch ein zweifelndes Wesen ist. Infolgedessen hatte sich auch Schott nach erstaunlich kurzer Zeit wieder »derfangen«, wie man im Dialekt sagt, was einfach heißt: Er konnte wieder er selbst sein, der alte Adam gewissermaßen, und sich seinen täglichen Beschäftigungen widmen,ohne von Dankbarkeitstheatralik und religiösen Exaltationen daran gehindert zu sein. Zuerst hielt er dem Kater Sami eine geflüsterte Ansprache, die von Streicheln, Kraulen, Knuddeln und Stirn-ans-Fell-Drücken begleitet wurde, was der Kater beides über sich ergehen ließ, Sprache und Handlungen seines Menschen, obwohl er nichts davon verstand und weit davon entfernt war, dieses menschliche Gebaren mit eigenen Handlungen in Beziehung zu setzen. Sami fühlte sich sozusagen unschuldig. Die Ansprache? Die beinhaltete nur, was man unter den Umständen erwarten durfte: dass der Kater Sami so etwas nie, nie wieder tun dürfe, einfach wegbleiben … und ähnlichen Schwachsinn.
    Danach fütterte Schott den Kater mit Leckerli, was eine ausgesprochene Dummheit war, wenn die Verhaltensforscher recht haben, denn dadurch verbindet der Mensch das lange Fortbleiben der Katze mit einer Belohnung. Zu Samis Ehrenrettung sei angeführt, dass der Kater die Situation nicht ausnutzte und von nun an etwa wegblieb, wenn ihm der Sinn nach Leckerli stand. So einer war Sami nicht. Er hatte das auch nicht nötig. Wenn er etwas besonders Gutes wollte (um den seuchenartig verbreiteten infantilen Alemannismus »Leckerli« zu vermeiden), dann machte er das so, wie es alle frommen Katzen machen: Er wandte sich unter Hervorbringung aller Kätzchenlaute seiner Kinderzeit an seinen Menschen – und dann, von diesem zum vollen Napf begleitet, fraß er nicht, sondern blickte seinen Menschen von unten an – nein, nicht »bittend«, sondern einfach so, mit großen, runden und – na schön – unergründlichen Augen, und überließ es dem gottähnlichen Wesen, den nötigen Schluss zu ziehen, dass anderes, das heißt: besseres Futter erbeten war, wenn das vorhandene nicht gefressen wurde. Dann gewährte der Mensch »Knuspertäschchen« oder wie die Dinger sonst heißen, oder er ließ es eben bleiben. Wie ja auch Gott den Menschen gewährt, was sie erbitten, oder abersich weigert. Unerforschlicher Ratschluss und so weiter. Im Falle Schotts stammte die Verweigerungshaltung aus den Katzenbüchern, die er sich angeschafft hatte. Die warnten unisono vor der felinen Fettsucht, als deren Musteropfer es der Kater »Chunk« in Amerika (natürlich, wo sonst?) mit zwanzig Kilo Lebendgewicht sogar in die globale Berichterstattung geschafft hatte. Frau Leupold, dachte Schott, wird den Kater überfüttert haben. Denn jetzt, da er aus vielen lehrreichen Abbildungen die Maße wohl- und weniger wohlproportionierter Katzen abzuschätzen wusste, kam ihm vor, Sami sei um die Mitte seines Leibes ein bisschen sehr füllig. Er hätte ihn natürlich wiegen können, aber dazu hätte er die Personenwaage gebraucht, die seine Geschiedene beim Auszug mitgenommen hatte. Er war damit einverstanden. Denn wenn sie jetzt noch da wäre, die Waage, würde er den Kater wiegen – und danach kaum dem perversen Gedanken entgehen, selber hinaufzusteigen. Was dann passieren würde, wollte er sich gar nicht ausmalen. Es gäbe nur zusätzliche Probleme. Ihm reichten die Probleme, die er ohnehin hatte. »Wie bitte?«, werden der geneigte Leser und die aufmerksame Leserin einwerfen, »Probleme? Was für welche sollen das denn, bittschön, sein? Hunderttausende unter den Nagel gerissen, ohne dass der Schatten eines Verdachtes auf ihn gefallen wäre, einen netten Kater, der seine Einsamkeit erträglich macht – okay, Einsamkeit ist immer ein harter Brocken, aber he! Andere Männer sitzen im Gefängnis oder sind süchtig oder verliebt in die Schwiegermutter oder kommen nach zwanzig Ehejahren drauf, dass sie eigentlich schwul sind – die haben Probleme! Dagegen dieser Schott: Die Katze ist jetzt nicht wirklich weggelaufen, schön, ist ihm zu gönnen, und wenn er es ein bisschen schlau anstellt (nur ein bisschen), was wird dann das Schlimmste sein, was ihm künftig passieren wird? Dass beim Fernsehen die Salzbrezeln ausgehen …« Da kann ich schwer widersprechen. »Und«, fügen die Rufendenhinzu, »wo wir schon dabei

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