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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Köpfchen zurückzulegen und sich von Schott, der neben ihm hockte, die Stirn streicheln zu lassen, von vornnach hinten über das seidige Fell bis in den Nacken. Die Augen hatte er zu, im winzigen, halb geöffneten rosa Maul glänzten links und rechts die Eckzähne. Sami schnurrte.
    »Erinnere mich dran, dass wir uns bald einmal beim Tierarzt die Zähne anschauen lassen«, sagte Schott. »Das Katzenbuch sagt, man muss das regelmäßig machen lassen. Deine kommen mir schon ein bisschen gelblich vor.«
    Mit den Fotos kam er gedanklich nicht weiter. Sami war keine Hilfe. Er lenkte ihn zu sehr ab. Natürlich hatte kein »Spiegel«-Reporter die Fotos geschossen, auch sonst niemand von der Presse. Schon, weil diese Burschen nicht die sündteure Kamera hätten liegenlassen. Es sei denn, sie wären gehindert worden … das verdrängte er. Spekulationen, völlig haltlos. Natürlich: Ein Bedrohungsszenario ließ sich aus allem aufbauen, aus den gewöhnlichsten Einzelheiten, aber damit machte man sich nur selber verrückt.
    Ich bin zu viel allein, dachte er. Ich sollte unter Leute gehen. Laut aussprechen tat er das nicht, um den Kater nicht zu kränken.
    Schott begann sich zu benehmen wie die Katzennarren (mehr noch -närrinnen), die im Umgang mit ihren Tieren in kindliche Verhaltensmuster fallen. Diese Menschen wissen, dass sie in Bezug auf »Schurrli«, »Max« oder »Mietzi« nicht normal sind und von ihrer nicht katzenhaltenden Umgebung mit einer Mischung aus Unverständnis und peinlicher Berührtheit dabei beobachtet werden, vor allem, wenn sie zuhören müssen, welche schier unglaubliche Intelligenzleistungen ihr Liebling eben erst wieder vollbracht habe. Ganz schlimm bei Hundebesitzern: Schott erinnerte sich, wie ihm der Direktor des Dornbirner Naturkundemuseums, ein promovierter Geologe und beinharter Naturwissenschaftler, gegen Ende eines Interviews versichert hatte, sein Hund sei genauso intelligent wie ein Mensch. Schott hatte erwartungsvoll gegrinst, weiler das für die Einleitung zu einer witzigen Geschichte hielt, es kamen dann aber nur anekdotische Belege für die These des Direktors. Schott hatte sie alle vergessen. Der Mann war ein Extremfall. Katzenliebhaber benahmen sich auch seltsam, aber gleichzeitig wussten sie um diese Verschrobenheit. Und genierten sich dafür. Aber nicht sehr. Man konnte Katzenverrücktheit in aufgeklärten Kreisen auch durchaus zeigen. Katze war nicht so schlimm, eine Marotte halt. Schließlich hatte kein Kater der Weltgeschichte ein Herrchen gehabt wie der Schäferrüde »Blondie«.
    Schott schenkte sich noch einen Whisky ein. Allmählich setzte angenehme Beduselung ein. Die Fotos waren ein Problem, das schon, das wollte er gar nicht leugnen, aber kein brennendes. Es würde sich irgendwann herausstellen, wer sie und wann er sie gemacht hatte. Und zu welchem Behufe. Das konnte warten, solang er selber in Deckung blieb.
    Bildete er sich ein.

6

    Am nächsten Tag war Schott unterwegs. Er besuchte zwei private Mosterzeuger, sogenannte Moster , für seinen Gratisblattartikel. Der Aufwand, den er mit seinen auf Digitaldiktiergerät aufgenommenen Interviews trieb, stand in keinem Verhältnis zum Honorar, aber das war ihm egal. Er konnte wieder journalistisch arbeiten, das hatte er vermisst. Sehr vermisst.
    Als er gegen vier heimkam, machte er sich einen Kaffee und übertrug die beiden Interviews via Stick auf den Computer. Dann fing er an, sie wortwörtlich abzuschreiben. Wenn er nur die Hälfte der Informationen verwendete, ergab das locker zwanzig Seiten, zur Verfügung hatte er vierzig Zeilen – es musste also ordentlich eingedampft werden. Nein, musste es nicht, wie er wohl wusste, seine Aufnahmen hatten nichts zu tun mit seiner Aufgabe; so ging man an eine solche Sache nicht heran, man machte für so ein Artikelchen nicht den Aufwand wie für ein Rundfunkfeature, das war nicht nur Zeitverschwendung, sondern Zusatzarbeit; er wusste jetzt zu viel über das Mosten. Die Konzentrierung auf den erlaubten Umfang war jetzt viel schwieriger, als wenn er gar nichts davon gewusst und alles aus dem Internet abgeschrieben hätte. Aber es war seine Zeit. Er konnte es sich leisten. Er hatte einen Riesenpuffer. Er konnte dilettieren , wie man das früher genannt hatte, was nicht hieß, dass man etwas nicht gut konnte, sondern nur, dass man nicht davon leben musste. Wie ein Privatdozent. Privatdozent Schott … wo war eigentlich der Kater?
    Der fand sich schon beim ersten, suchenden Blick

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