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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Frau der Welt.
    Frau Dr. Rhomberg öffnete den Käfig und nahm Sami heraus. Er wollte nicht, stemmte sich mit den Vorderpfoten gegen den Käfigrand. Es nutzte ihm nichts. Dann lag er auf dem Bauch, das verletzte Bein ausgestreckt. Die Ärztin untersuchte es und redete dabei, Schott hörte nicht zu, obwohl er sich bemühte, er konnte den Blick nicht von dem perfekten Schwung ihrer Taille lösen, während sie sich über Sami beugte … Er merkte, dass sie ihn etwas gefragt hatte, und sagte: »Entschuldigung, was haben Sie gesagt?«
    »Wann das passiert ist, wollte ich wissen.«
    »Ich weiß nicht …« Er begann den Vorfall wiederzugeben, wie er das vor ein paar Minuten im Wartezimmer getan hatte, aber er stockte dabei, wiederholte und verhaspelte sich. Sie blickte auf und sah ihn an. Er verstummte. Sie lächelte. »Halten Sie ihn einen Augenblick fest, ja?« Er hielt Sami fest, sie holte eine Spritze aus dem Glasschrank.
    Schott hätte gut daran getan, seine Aufmerksamkeit mehrdem Tier zuzuwenden als der Rückseite der Frau Dr. Rhomberg, aber der Anblick faszinierte ihn. Diese Frau, dachte er, ist einfach perfekt. So ähnlich müssen die Leute gestarrt haben, als die Venus von Milo ausgegraben wurde. Aber das war eine Statue, ein Phantasieprodukt im Grunde, Wunschtraum eines genialen Bildhauers. Das hier war … live . Echt. Sami nutzte die Gelegenheit und entkam dem allzu leichten Griff seines Menschen, der ihn in diese Höhle des Verderbens gebracht hatte, wo der Tod der Artgenossen als dichte Aura über allen Dingen lag. Wieso tat der Mensch das? Sami hatte Todesangst. In diesem Raum waren viele Tiere gestorben und Samis Anwesenheit an diesem Ort konnte nichts anderes bedeuten, als dass er ebenfalls sterben würde. Er spürte, dass er von seinem Menschen verraten worden war. Er sprang von dem Tisch, was mit drei Beinen schwierig war, und flüchtete unter den größten Eckschrank. Dort schmiegte er sich an die Wand.
    »Oje!«, sagte Dr. Rhomberg, legte die Spritze weg und kauerte sich ohne Umstände vor dem Schrank nieder, Schott legte sich neben ihr flach auf den Boden. Ihre Knie berührten seinen Oberarm, als er die Hand unter den Schrank auf Sami zuschob. Ich bleib hier liegen, dachte er, der Kater kommt sowieso nicht mehr raus, dann bin ich in ihrer Nähe, denn sie muss auch hier unten bleiben, es ist ihre Praxis, sie ist die Ärztin, sie kann mich hier nicht allein rumliegen lassen, sie muss bei mir bleiben, jawohl, da hilft nichts, jede Minute in ihrer Nähe ist kostbar, das kann mir keiner mehr nehmen, das bleibt! Dr. Rhomberg schien ähnlich zu empfinden, denn jetzt legte sie sich neben Schott auf den Bauch, der spürte die Wärme ihres Körpers an seiner Seite, das eben hat mir immer gefehlt, ging es ihm durch den Kopf, dieses Gefühl. Nichts Sexuelles. Nur diese Wärme, die anders war als jede frühere Empfindung von Wärme.
    Sami knurrte und zog sich in die hinterste Ecke zurück. »Das hat er noch nie gemacht«, sagte Schott.
    »Sich versteckt?«
    »So geknurrt.« Sie lachte. Was war an der Bemerkung komisch? Sie sah ihn von der Seite an. Und lächelte.
    »Ihnen liegt viel an dem Kater?«
    Jetzt lachte er. »Natürlich! Aber wie kommen Sie jetzt da drauf?«
    »Das Tier verschwindet unter dem Schrank und eine Sekunde später liegen Sie flach auf dem Boden, den wir zwar jeden Abend saugen und wischen, aber eben erst am Abend …«
    »Soll das heißen, der Boden wird nicht jede Viertelstunde mit Chlorkalk eingesprüht? Entsetzlich – wo ich doch so allergisch bin.« Sie lachte laut heraus.
    Er bemühte sich, den Arm weiter unter den Schrank zu bekommen, Sami knurrte, Frau Dr. Rhomberg schob ihre Rechte an der anderen Wand entlang auf Sami zu, so war er von zwei Händen bedroht, die ihn ergreifen wollten, eine von links, eine von vorn im rechten Winkel, in der Ecke, wo er saß, würden sie sich treffen. Er geriet in Panik.
    Schott versuchte den Kater mit seinem linken Arm in die Ecke zu treiben, wo ihn die Ärztin hoffentlich zu packen kriegen würde; ich bin ein elender Feigling, dachte er, ich überlasse ihr den gefährlichen Teil des Jobs, sollte man es für möglich halten, genau das tue ich hier – mich drücken. Soll sie doch den Kater packen und gekratzt werden, was unweigerlich passieren wird … wer von uns zwei hat denn Veterinärmedizin studiert! Das glaubst du nicht, dass ich dazu fähig bin. Erschrocken über die eigene Feigheit, wandte er den Oberkörper nach rechts, stieß die

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