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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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entfernt, dass etwa der Eindruck des Abgeschiedenen, Isolierten entstanden wäre. Vereinzelte Gebäude besaßen für gewisse Aktivitäten nicht die geringste Eignung, sie regten die Phantasie zu sehr an. Zu viele Menschen fragten sich beim Vorbeigehen, wer wohl dort wohnen, was wohl dort vorgehen mochte. Man konnte genauso gut große Schilder aufhängen. Drogenlabor oder Geheimpuff . Jede Art erregter Aufmerksamkeit war ganz, ganz schlecht. Auch nach dem Job durfte es solche Aufmerksamkeit nicht geben, unter keinen Umständen. Das erwartete Bindl von ihm, dass nichts herauskam; es durfte für die Öffentlichkeit überhaupt nichts passieren; wenn etwas passierte, und sei es nur so viel, dass es für eine Vierzeilenmeldung in der Zeitung reichte, war die Sache schiefgelaufen. Nicht professionell. Bindl erwartete, dass Charly mit den Leuten redete und die Sache bereinigte. Andere hätten dabei eine stufenweise Eskalation gewählt, erst anonyme Warnungen, dann Gewalt gegen Sachen, erst, wenn die dann stur blieben, härtere Maßnahmen. Bindl hielt davon nichts, es war einer der wenigen Punkte, wo Charly seinem Chef recht gab. Dieses allmähliche Herantasten war überflüssiger Kokolores und gefährlich außerdem. Man konnte in die Leute nicht hineinsehen und wusste nicht, wann und unter welchen Umständen sie die Nerven wegschmissen und zur Polizei rannten. Eine einmalige, harte Aktion war besser. Schock, der nicht überwunden werden, nicht verarbeitet werden konnte. Nicht unten anfangen mit den Maßnahmen, sondern am oberen Ende.
    Nur war dieses Mal alles noch ein bisschen komplizierter, als Bindl sich das vorstellte. Charly musste auf der Hut sein, das war er nicht gewohnt. Sonst waren immer nur die anderen aufder Hut. Vor ihm. Genutzt hatte es allerdings keinem von ihnen.
    Es kam nicht in Frage, sich bei Nacht und Nebel anzuschleichen, einzudringen und dann zu tun, was getan werden musste. Nicht in diesem speziellen Fall. Charly blieb vor der langen Einfahrt stehen und seufzte. Er wäre lieber woanders gewesen. Er hätte lieber jeden anderen Auftrag erledigt. Aber es nutzte alles nichts. Er musste da jetzt durch und die Sache regeln. So, dass er mit heiler Haut herauskam.

    *

    Schott setzte sich in den alten Toyota und fuhr los. Etwas zu forsch, der Kies spritzte unter den Reifen hervor, Schott erkannte das Geräusch und grinste; er hatte die Kupplung nicht absichtlich so schnell kommen lassen – aber so ging das eben, wenn man sich so fühlte, so … so dynamisch. Ich fühle mich dynamisch, genau, was ist denn das überhaupt für ein idiotisches Unwort aus der Autofahrerclub-Zeitung, dachte er, dynamische Fahrweise . Dabei geht es nur um das Verhalten mittelalter Männer, denen man nicht in die eigene Clubzeitung hineinschreiben kann, dass sie mit ihrer Karre alles Mögliche kompensieren, vor allem aber das eine, was ihnen mehr abgeht als alles andere … nur mir, dachte er weiter, wird dieses eine nicht mehr abgehen, schon bald nicht mehr, also bin ich einer der wenigen, die nichts zu kompensieren brauchen, und fahre trotzdem wie ein Idiot? Aus Freude, aus reiner Lebensfreude, ja doch, das soll es doch auch geben, oder? Warum nicht auch einmal bei mir, wo steht denn geschrieben, dass so was bei mir nicht möglich sein soll, wo bitte? – Na also.
    Schott fuhr den Kater Sami abholen. Und die Frau Doktor auch. Vor allem die Frau Doktor. »Reiß dich zusammen«, rief er ins Motorgeräusch des hochgedrehten dritten Gangs, »undfahr nicht wie ein Anfänger!« An der Einfahrt zur Leupold-Villa stand ein Mann in Jeans und Lederjacke, der sich nach dem röhrenden Toyota umschaute, ihre Blicke trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde, dann war Schott vorbei und schaltete hoch, hatte aber noch das Erstaunen des anderen gesehen. Dass kein fescher Türkenjüngling hinter dem Steuer des aufgemotzten Autos saß, sondern … sondern ein Wald-und-Wiesen-Einheimischer, und was hieß hier aufgemotzt, das war doch ein hundsgewöhnlicher, alter Corolla, nicht einmal tiefergelegt? Schott grinste und beschleunigte bis zum Ende der langen Zufahrt, bremste dort, wieder Kies aufwirbelnd, und zwang sich zur Ruhe.
    Ja, die Chancen standen nicht schlecht, das durfte man sagen. Die Chancen, mehr nicht. Noch war nichts sicher. Er war ja nun keiner, der sich mit Frauen auskannte. Das durfte man sagen, ja doch! Mit Bianca hatte er sich jedenfalls nicht ausgekannt, gegen Schluss überhaupt nicht mehr und früher wohl auch nicht, denn

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