Das unsichtbare Grauen
dich!«
Irgendwo im Hintergrund tauchte ein Mann im weißen Kittel auf. Volles, graumeliertes Haar. Kluge braune Augen hinter randlosen Brillengläsern. Schmale, weiße Pianistenhände. Dr. Henri Braun war zweifellos ein gutaussehender Mann schwer schätzbaren Alters.
»Sandra King.« Sandra streckte die Hand aus. »Ich bin eine Freundin von Ludmilla und Patricia.«
»Sie kennen Ludmilla?« Aimees Stimme klang plötzlich feindselig.
»Reg dich nicht auf, Liebling«, sagte Dr. Braun sanft. »Kommen Sie doch bitte in mein Arbeitszimmer, Miß King!
Sie sind doch Engländerin?«
»Ja, das bin ich.«
»Dann nehmen Sie bestimmt Tee mit uns.«
»Mich bitte ich zu entschuldigen«, sagte Aimee Stämpfli. »Ich muß noch eine Versuchsreihe abschließen.«
»Womit befassen Sie sich, Dr. Braun?« fragte Sandra, als sie im holzgetäfelten Arbeitszimmer des Chemikers beim Tee saßen.
Dr. Braun lächelte fast entschuldigend: »Keine großen weltbewegenden Sachen, liebe Miß King. Sonnencreme, Sonnenschutzspray, Bräunungsemulsionen. Das alles auf einer völlig neuen Grundlage. Wir sind jetzt so weit, daß auch Temperatureinflüsse jeder Art von unserem Spray absorbiert werden. Ich zeige es Ihnen nachher gern. Nicht wahr, nun sind Sie enttäuscht?«
»Aber nein, überhaupt nicht. Wir Frauen haben gerade für Mittel dieser Art viel übrig.«
Eine Sekretärin kam herein und brachte Tee und Gebäck. Sie zog sich sofort wieder zurück. Sandra schenkte ein.
Dr. Braun ließ sie gewähren und fragte beiläufig: »Sie haben Patricia gesehen? Wie geht es ihr? Inzwischen ist sie ja schon erwachsen.«
»Ein schönes Mädchen«, sagte Sandra King. »Soweit ich das von Fotos beurteilen kann. Gesehen habe ich sie nämlich nicht. Und Ludmilla hat sie auch seit einiger Zeit nicht gesehen.«
Dr. Braun nahm einen Schluck und sagte dann: »Sie müssen Aimee entschuldigen. Sie reagiert immer etwas heftiger, wenn die Rede auf meine geschiedene Frau und auf meine Tochter kommt.«
»Eifersucht?« fragte Sandra.
»Ich weiß nicht.« Dr. Braun sah Sandra forschend an: »Sie sagten, Sie hätten Pat nur auf Fotos gesehen? Ist sie denn nicht da?«
»Sie ist spurlos verschwunden.« Sandra beobachtete die Wirkung ihrer Worte.
Dr. Henri Braun sprang auf. »Verschwunden? Wie ist das möglich?«
»Das wissen wir nicht. Jedenfalls ist sie weg, und ich bemühe mich, sie zu finden, oder ihrer Mutter dabei wenigstens zu helfen.«
»Dann sind Sie so eine Art Privatdetektivin?« wollte Dr. Braun wissen.
»Reporterin, zur Zeit auf Urlaub«, schwindelte Sandra King, ohne zu erröten. »Na, und da ich ohnehin nichts Besseres vorhabe, kann ich ebensogut nach Pat Ausschau halten, finden Sie nicht?«
»Ja gewiß, natürlich.« Braun wirkte zerstreut. »Aber ich kann Ihnen gar nicht helfen. Ich weiß nicht, wo Patricia ist.«
»Sie hat sich auch nicht telefonisch gemeldet oder geschrieben? Ich meine - immerhin sind Sie Ihr Vater.«
»Nein.« Bedauern war in Brauns Stimme. »Du meine Güte, hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen.«
»Glaube ich nicht«, sagte die Agentin sachlich. »Wenn ein Unfall oder gar ein Verbrechen geschehen wäre, hätten wir bestimmt davon gehört. Ganz unter uns: ich tippe auf einen besonders attraktiven jungen Mann, mit dem sie auf und davon ist.«
»Das wäre dann wenigstens eine romantische Erklärung.« Dr. Henri Braun schien erleichtert. Er stand auf:
»Kommen Sie, damit wir uns nicht weiter sinnlos die Köpfe zerbrechen, zeige ich Ihnen jetzt mal die phantastische Wirkung unseres Sonnenschutzsprays. Sie werden bestimmt erstaunt sein.«
Der Chemiker ging voran, einen langen Flur entlang, dann durch eine gläserne Schwingtür. Sie standen in einem total dunklen Raum, in dessen Mitte sich eine gläserne Kabine befand, die hell erleuchtet war. Sandra King stieß einen überraschten Laut aus: Mitten in der Glaskabine war Aimee Stämpfli völlig unbekleidet, dabei, den ganzen Körper aus einer Spraydose einzusprühen. Man sah deutlich, wie der feine Nebel des neuartigen Sonnenschutzmittels sich als dünner Film auf der Haut der schönen jungen Frau niederschlug.
»Es dauert jetzt eine Minute, bis Vollschutz eintritt«, sagte Dr. Braun.
Sandra King sah, daß er zu einer Schalttafel im Hintergrund trat. »Wirklich interessant«, sagte sie höflich. »Und was machen Sie jetzt?«
»Von dieser Schalttafel aus kann ich in der
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