Das Unsterblichkeitsprogramm
ihn zu Carnage rüber, damit ihm ein neuer Sleeve verpasst wird, richtig?« Ich suchte in meinen Taschen und fand Ortegas Zigaretten. Im düsteren Licht der Basilika war die vertraute Packung wie eine Postkarte aus einer anderen Welt. »Kein Wunder, dass der zweite Kämpfer an Bord der Panama Rose noch nicht dekantiert war, als wir dort eintrafen. Wahrscheinlich war er gerade erst mit Kadmin fertig geworden. Dieser Mistkerl spazierte als Märtyrer der Rechten Hand Gottes hinaus.«
»Ungefähr zur gleichen Zeit, als Sie an Bord kamen«, bestätigte Kawahara. »Ich habe sogar gehört, dass er die Rolle eines Hilfsarbeiters übernommen hat, während Sie direkt an ihm vorbeigingen. Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie hier drinnen nicht rauchen würden.«
»Kawahara, es wäre mir sehr lieb, wenn Sie an inneren Blutungen krepieren würden, aber ich glaube, diesen Gefallen werden Sie mir nicht tun.« Ich zündete die Zigarette an und nahm den ersten Zug, während ich mich erinnerte. Der Mann hatte im Ring gekniet. Ich spielte die Szene noch einmal langsamer ab. Wie ich über der Kampfarena auf dem Deck stand und nach unten schaute, auf das Muster, das er auf den Boden des Kampfplatzes malte. Wie er aufgeblickt hatte, als wir vorbeigingen. Ja, er hatte sogar gelächelt. Ich verzog das Gesicht.
»Sie verhalten sich längst nicht so höflich, wie man es von einem Mann in Ihrer Position erwarten sollte.« Ich glaubte unter der Kühle eine leichte Ungehaltenheit in ihrer Stimme zu bemerken. Trotz ihrer viel gepriesenen Selbstbeherrschung hatte Reileen Kawahara genauso wenig Verständnis für Respektlosigkeiten wie Bancroft, General MacIntyre oder alle anderen Kreaturen der Macht, mit denen ich bisher zu tun gehabt hatte.
»Ihr Leben ist in Gefahr, und ich bin in der Lage, Sie zu schützen.«
»Mein Leben war schon häufiger in Gefahr«, erwiderte ich. »Meistens, wenn irgendein Dreckstück wie Sie großmaßstäbliche Entscheidungen getroffen hat, wie die Realität aussehen sollte. Für meinen Geschmack haben Sie Kadmin schon viel zu nahe herangelassen. Wahrscheinlich hat er Ihren verdammten virtuellen Lokator benutzt, um es zu bewerkstelligen.«
»Ich habe ihn geschickt«, sagte Kawahara zähneknirschend, »um Sie abzuholen. Worauf er wieder den Gehorsam verweigert hat.«
»Tatsächlich?« Ich rieb mir unwillkürlich die Abschürfung an der Schulter. »Warum sollte ich Ihnen glauben, dass Sie die Sache beim nächsten Mal besser im Griff haben?«
»Weil Sie wissen, dass ich es kann.« Kawahara lief quer durch den Saal und duckte sich unter den ledergrauen Klonsäcken, um mich auf meinem Weg rund um die Kammer abzufangen. Ihr Gesicht war vor Wut verzerrt. »Ich bin einer der sieben mächtigsten Menschen in diesem Sonnensystem. Ich habe Zugang zu Möglichkeiten, für die der befehlshabende General der UN töten würde.«
»Diese Architektur steigt Ihnen zu Kopf, Reileen. Sie hätten nicht einmal mich gefunden, wenn Sie Sullivan nicht in der Peilung gehabt hätten. Wie, zum Henker, wollen Sie dann Kadmin finden?«
»Kovacs, Kovacs.« In ihrem Lachen lag ein hörbares Zittern, als würde sie gegen den Drang ankämpfen, die Daumen in meine Augenhöhlen zu stoßen. »Haben Sie eine Vorstellung, was auf den Straßen jeder beliebigen Stadt der Erde geschieht, wenn ich nach jemandem suchen lasse? Haben Sie auch nur die leiseste Vorstellung, wie leicht es wäre, Sie hier und jetzt zu töten?«
Ich nahm einen Zug von der Zigarette und blies absichtlich den Rauch in ihre Richtung. »Wie Ihre treue Dienerin Trepp vor einigen Minuten sagte: Warum sollten Sie mich hierher bringen, nur um mich zu töten? Sie wollen etwas von mir. Was?«
Sie atmete scharf durch die Nase ein. Ihre Gesichtszüge beruhigten sich wieder etwas, und sie trat ein paar Schritte zurück, um sich der Konfrontation zu entziehen.
»Sie haben Recht, Kovacs. Ich will Sie lebend. Wenn Sie jetzt verschwinden, wird Bancroft die falsche Botschaft erhalten.«
»Oder die richtige.« Ich scharrte geistesabwesend mit den Füßen über die eingravierten Buchstaben im Marmor. »Haben Sie ihn geertet?«
»Nein.« Kawahara wirkte fast ein wenig amüsiert. »Er hat sich selbst getötet.«
»Ach ja, richtig.«
»Ob Sie es glauben oder nicht, ist für mich ohne Belang, Kovacs. Ich verlange von Ihnen, dass Sie die Ermittlungen zu Ende bringen. Zu einem sauberen Ende.«
»Und was schlagen Sie vor, wie ich das tun soll?«
»Das ist mir egal. Denken Sie sich etwas aus.
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