Das Unsterblichkeitsprogramm
Sie mich nicht für einen Chauvinisten, Mr. Kovacs. Nach fast zweihundertfünfzig Jahren Ehe besteht mein Verhältnis zu Miriam in erster Linie darin, höflich miteinander umzugehen. Es wäre wirklich besser, wenn Sie sich allein mit ihr unterhalten würden.«
»Ich verstehe.« Das strapazierte die Wahrheit ein wenig, aber damit konnte ich leben.
»Möchten Sie etwas trinken? Etwas Alkoholisches?«
»Nein, danke. Nur etwas Fruchtsaft, wenn es möglich ist.« Die Zittrigkeit, die mit einem Download einherging, machte sich allmählich bemerkbar, und zusätzlich verspürte ich ein unangenehmes Kribbeln in den Füßen und Händen, bei dem es sich meiner Vermutung nach um die Folgen der Nikotinabhängigkeit handelte. Abgesehen von einer gelegentlichen von Sarah geschnorrten Zigarette hatte ich mit den letzten zwei Sleeves nicht mehr geraucht, und ich wollte jetzt nicht erneut mit dieser Gewohnheit anfangen. Wenn ich obendrein Alkohol trank, wäre ich erledigt.
Bancroft verschränkte die Hände im Schoß. »Natürlich. Ich werde etwas bringen lassen. So, womit möchten Sie anfangen?«
»Vielleicht mit Ihren Erwartungen. Ich weiß nicht, was Reileen Kawahara Ihnen erzählt hat oder welches Profil das Envoy Corps hier auf der Erde von mir angefertigt hat, aber Sie sollten keine Wunder von mir erwarten. Ich bin kein Zauberer.«
»Dessen bin ich mir bewusst. Ich habe die Unterlagen des Corps sorgfältig studiert. Und Reileen Kawahara hat mir nur gesagt, dass Sie zuverlässig, wenn auch ein wenig pingelig sind.«
Ich erinnerte mich an Kawaharas Methoden und wie ich darauf reagiert hatte. Pingelig. Völlig richtig.
Trotzdem zog ich mit ihm die übliche Nummer durch. Es war allerdings etwas ungewohnt, sich einem Klienten anzubieten, der einen längst gebucht hatte. Und es war ungewohnt, meine Fähigkeiten herunterzuspielen. Im Ermittlungsgewerbe war Bescheidenheit nicht weit verbreitet, und wer ernst genommen werden wollte, verlegte sich normalerweise darauf, den bereits erworbenen Ruf aufzublähen. Hier war es eher wie beim Corps. Lange Konferenztische und Virginia Vidaura, die die Fähigkeiten ihres Teams evaluierte.
»Das Envoy-Training wurde für die kolonialen UN-Einsatzkommandos entwickelt. Das bedeutet nicht…«
Das bedeutete nicht, dass jeder Envoy ein Einsatzkämpfer war. Das stimmte zwar nicht ganz, aber damit stellte sich die Frage, was eigentlich ein Soldat war. Welcher Anteil der Ausbildung für Einsatzkommandos prägte den Körper und welcher den Geist? Und was passierte, wenn beide voneinander getrennt wurden?
Der Weltraum war groß, um ein häufig benutztes Klischee zu zitieren. Die nächste der besiedelten Welten lag fünfzig Lichtjahre von der Erde entfernt, die abgelegenste viermal so weit, und einige Kolonistentransporter waren immer noch unterwegs. Falls ein Verrückter auf die Idee kam, mit nuklearen Sprengköpfen zu rasseln – oder irgendwelchem anderen Spielzeug, das eine Biosphäre nachhaltig erschüttern konnte –, was sollte man dann tun? Man konnte die Information übermitteln, per Hyperraum-Needlecast, praktisch ohne Zeitverlust, so instantan, dass die Wissenschaftler sich immer noch um die Terminologie stritten, aber das war, um Quellcrist Falconer zu zitieren, noch lange kein verdammter Truppenaufmarsch. Selbst wenn man im gleichen Moment, wo der Ärger losging, einen Transporter startete, würden die Soldaten gerade noch rechtzeitig eintreffen, um die Urenkel zu befragen, wer den Krieg gewonnen hatte.
Auf diese Weise ließ sich kein Protektorat beherrschen.
Gut, man konnte die Bewusstseine einer Top-Kampftruppe digitalisieren und transferieren. Die Zeiten waren schon lange vorbei, als Gewichts- und Zahlenangaben kriegsentscheidend gewesen waren. Die meisten militärischen Siege des vergangenen halben Jahrtausends waren von kleinen mobilen Guerilla-Einheiten errungen worden. Man konnte sogar seine erstklassigen DigIn-Soldaten direkt in Sleeves mit Kampfkonditionierung, aufgeputschtem Nervensystem und steroidgeschwängerten Körpern dekantieren. Aber was dann?
Die Kämpfer würden sich in Körpern wiederfinden, die sie nicht kannten, auf einer Welt, die sie nicht kannten, und für einen Haufen Fremder gegen einen anderen Haufen Fremder in den Kampf ziehen, in dem es um Dinge ging, von denen sie wahrscheinlich noch nie gehört hatten und die sie zweifellos nicht einmal verstanden. Das Klima war ungewohnt, die Sprache und Kultur waren ungewohnt, die Flora und Fauna waren ungewohnt, die
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