Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Normalerweise bin ich nicht so. Keiner von uns.« Sie deutete in die Runde, als wollte sie damit andeuten, dass die zwei bewaffneten Männer hinter ihr normalerweise mit Blumenkränzen im Haar herumliefen. »Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an.«
    »Selbstverständlich.«
    »Mein Mann erwartet Sie in der Meereslounge. Ich werde Sie sofort zu ihm fuhren.«
     
    Im Innern des Hauses war es hell und luftig. Eine Angestellte empfing uns an der Verandatür und nahm Mrs. Bancroft ohne ein Wort den Tennisschläger ab. Wir gingen durch einen mit Marmor verkleideten Korridor, der von Kunstwerken gesäumt wurde, die auf mein ungeschultes Auge sehr alt wirkten. Zeichnungen von Gagarin und Armstrong, empathistische Wiedergaben von Konrad Harlan und Angin Chandra. Am Ende dieser Galerie stand auf einem Sockel etwas, das wie ein schlanker Baum aus bröckeligem rotem Stein aussah. Ich blieb davor stehen und zwang Mrs. Bancroft, ein Stück zurückzugehen, nachdem sie bereits nach links abgebogen war.
    »Gefällt es Ihnen?«, fragte sie.
    »Sehr. Es stammt vom Mars, nicht wahr?«
    Ihre Miene veränderte sich, wie ich aus dem Augenwinkel bemerkte. Sie revidierte ihre ersten Eindrücke. Ich drehte mich um, damit ich ihr Gesicht genauer mustern konnte.
    »Ich bin beeindruckt«, sagte sie.
    »So geht es manchen Menschen. Vor allem, wenn ich einen Handstand mache.«
    Sie sah mich zwischen verengten Augenlidern an. »Wissen Sie wirklich, was das hier ist?«
    »Offen gesagt, nein. Ich habe mich mal für strukturelle Kunst interessiert. Ich kenne solche Steine von Bildern, aber…«
    »Es ist eine Singzinne.« Sie trat an mir vorbei und strich mit den Fingern an einem der aufrechten Äste entlang. Ein leises Seufzen ging von dem Ding aus, und ein Duft wie von Kirschen und Senf erfüllte die Luft.
    »Lebt es?«
    »Das weiß niemand.« Plötzlich war ein Enthusiasmus in ihrer Stimme, der mir wesentlich besser an ihr gefiel. »Auf dem Mars wachsen sie bis zu hundert Metern hoch, und an der Basis sind sie manchmal so mächtig wie dieses Haus. Man kann ihren Gesang viele Kilometer weit hören. Auch der Duft verbreitet sich über große Entfernungen. Aufgrund der Erosionsmuster vermuten wir, dass die meisten mindestens zehntausend Jahre alt sind. Diese Zinne entstand wahrscheinlich erst zur Zeit der Gründung des Römischen Imperiums.«
    »Muss recht teuer gewesen sein. Es zur Erde zu transportieren, meine ich.«
    »Geld spielte dabei keine Rolle, Mr. Kovacs.« Die Maske saß wieder fest auf dem Gesicht. Zeit zum Weitergehen.
    Wir durchquerten den nach links abbiegenden Korridor in Rekordzeit, möglicherweise um die Zeit aufzuholen, die wir durch den unplanmäßigen Zwischenhalt verloren hatten. Mit jedem Schritt hüpften Mrs. Bancrofts Brüste unter dem dünnen Stoff des Trikots, und ich lenkte mich mit den Kunstwerken auf der anderen Seite des Gangs ab. Weitere Vertreter des Empathismus, Angin Chandra, deren schlanke Hand auf dem mächtigen Phallus einer Rakete ruhte. Also auch keine Hilfe.
    Die Meereslounge war ein Anbau am Ende des Westflügels. Mrs. Bancroft führte mich durch eine unauffällige Holztür hinein, und sobald wir eingetreten waren, stach uns die Sonne in die Augen.
    »Laurens, das ist Mr. Kovacs.«
    Ich hob eine Hand, um meine Augen zu beschatten, und sah, dass sich auf der oberen Ebene der Meereslounge Schiebetüren aus Glas befanden, die auf einen Balkon hinausführten. Gegen das Balkongeländer gelehnt stand ein Mann. Er musste unser Eintreten gehört haben – andererseits musste er auch die Ankunft des Polizeikreuzers gehört und seine Schlussfolgerungen gezogen haben. Trotzdem rührte er sich nicht von der Stelle, sondern starrte weiter aufs Meer hinaus. So ging es einem manchmal, wenn man von den Toten zurückgekehrt war. Vielleicht war es auch nur Arroganz. Mrs. Bancroft forderte mich mit einem Nicken zum Weitergehen auf, und wir stiegen ein paar Stufen hinauf, die aus dem gleichen Holz wie die Tür bestanden. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass die Wände des Raums von oben bis unten mit Bücherregalen zugestellt waren. Die Sonne legte einen gleichmäßigen Schimmer aus orangefarbenem Licht über die Buchrücken.
    Als wir auf den Balkon traten, drehte sich Bancroft zu uns um. In der Hand hielt er ein Buch, das er mit einem Finger zwischen den Seiten zugeklappt hatte.
    »Mr. Kovacs.« Er übernahm das Buch mit der Linken, damit er mir die Hand schütteln konnte. »Es freut mich, dass wir uns endlich begegnen. Wie

Weitere Kostenlose Bücher