Das Unsterblichkeitsprogramm
Atmosphäre war ungewohnt. Verdammt, sogar die Schwerkraft war ungewohnt. Sie wussten von nichts, und selbst wenn man ihnen beim Download Informationen über die lokalen Verhältnisse mitgab, hätten sie eine enorme Datenmenge zu verarbeiten, während sie vermutlich schon wenige Stunden nach der Ankunft um ihr Leben kämpfen mussten.
An diesem Punkt kam das Envoy Corps ins Spiel.
Die Neurachem-Konditionierung, Cyborg-Interfaces, sonstige biologische Aufrüstungen – all diese Sachen waren rein körperlich. Das meiste berührte den reinen Geist überhaupt nicht, und es war nun einmal der reine Geist, der transferiert wurde. Das war der Ansatz für das Corps. Sie gingen von psychospirituellen Techniken aus, die in den orientalischen Kulturen der Erde seit Jahrtausenden bekannt waren, und destillierten sie zu einem Ausbildungssystem, das so umfassend war, dass auf den meisten Welten sofort Gesetze erlassen wurden, nach denen es den Absolventen verboten war, irgendeine politische oder militärische Führungsposition einzunehmen.
Es waren keine Soldaten. Nicht im eigentlichen Sinne.
»Ich arbeite mit Absorption«, schloss ich meine Erklärungen ab. »Ich sauge alles auf, womit ich in Kontakt komme, und taste mich damit voran.«
Bancroft setzte sich unruhig auf seinem Stuhl zurecht. Er war es nicht gewohnt, dass man ihm Vorträge hielt. Es wurde Zeit anzufangen.
»Wer hat Ihre Leiche gefunden?«
»Meine Tochter Naomi.«
Er verstummte, als jemand die Tür hinter uns öffnete. Kurz darauf kam die Angestellte, die sich zuvor um Miriam Bancroft gekümmert hatte, die Stufen zum Balkon herauf, mit einem Tablett, auf dem eine sichtlich gekühlte Karaffe und hohe Gläser standen. Bancroft schien genauso wie jeder andere im Suntouch House über ein internes Kommunikationssystem verlinkt zu sein.
Die Frau stellte das Tablett ab, schenkte in maschinengleichem Schweigen ein und zog sich auf ein knappes Nicken von Bancroft hin zurück. Er starrte ihr eine Weile mit leerem Blick nach.
Zurück von den Toten. Das war kein Witz.
»Naomi«, soufflierte ich behutsam.
Er blinzelte. »Ach, ja. Sie platzte hier herein, weil sie irgendetwas wollte. Wahrscheinlich die Schlüssel für einen Wagen. Ich bin ein nachgiebiger Vater, wie es scheint, und Naomi ist mein jüngstes Kind.«
»Wie jung?«
»Dreiundzwanzig.«
»Haben Sie viele Kinder?«
»Ja. Sehr viele.« Bancroft lächelte müde. »Wenn man über Zeit und Vermögen verfügt, ist es eine große Freude, Kinder in die Welt zu setzen. Ich habe siebenundzwanzig Söhne und vierunddreißig Töchter.«
»Leben sie bei Ihnen?«
»Naomi lebt bei mir, die meiste Zeit. Die anderen kommen und gehen. Die meisten haben längst eigene Familien.«
»Wie geht es Naomi?« Ich senkte ein wenig die Stimme. Den eigenen Vater ohne Kopf vorzufinden war nicht die beste Art, den Tag zu beginnen.
»Sie ist in der Psychochirurgie«, sagte Bancroft knapp. »Aber sie wird es überstehen. Müssen Sie sich mit ihr unterhalten?«
»Im Augenblick noch nicht.« Ich stand auf und ging zur Balkontür. »Sie sagten, sie sei hier hereingeplatzt. Ist es hier geschehen?«
»Ja.« Bancroft folgte mir zur Tür. »Jemand ist hier eingedrungen und hat mir den Kopf mit einem Partikelblaster weggeschossen. Da drüben an der Wand sind noch die Brandspuren zu sehen. Beim Schreibtisch.«
Ich ging hinein und stieg die Stufen hinunter. Der Schreibtisch war ein schweres Exemplar aus Spiegelholz. Offenbar hatte man den genetischen Code von Harlans Welt transferiert und den Baum hier kultiviert. Das kam mir fast genauso extravagant wie die Singzinne vom Mars vor, obwohl es von etwas fragwürdigerem Geschmack zeugte. Auf Harlans Welt wuchs Spiegelholz in dichten Wäldern auf drei Kontinenten, und praktisch jede Kanalkneipe in Millsport hatte einen Tresen, der aus diesem Zeug geschnitzt war. Ich ging daran vorbei, um die verputzte Wand zu inspizieren. Die weiße Oberfläche wies die charakteristische schwarze Furche einer Strahlenwaffe auf. Die Brandspur begann in Kopfhöhe und verlief dann in einem engen Bogen nach unten.
Bancroft war auf dem Balkon geblieben. Ich blickte zu seinem Gesicht im Gegenlicht auf. »Ist das der einzige Hinweis auf Schusswaffengebrauch in diesem Zimmer?«
»Ja.«
»Sonst wurde nichts beschädigt, zerbrochen oder auf irgendeine Weise in Unordnung gebracht?«
»Nein. Nichts.« Es war offensichtlich, dass er noch mehr sagen wollte, aber er hielt sich zurück, bis ich fertig war.
»Und die
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