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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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erwähnt.«
    »Viereinhalb«, erwiderte ich nach einem Blick auf die Entlassungsformulare, die ich unterschrieben hatte. »Ich fürchte, in der Zwischenzeit hat jemand Gefallen an Ihrem Sleeve gefunden und ihn gekauft.«
    »Oh.« Danach schwieg sie. Der Schock, zum ersten Mal im Körper eines Fremden aufzuwachen, war nichts im Vergleich zum Gefühl des Verratenseins, wenn man wusste, dass irgendwo jemand im eigenen Körper herumlief. Es war, als würde man einem untreuen Partner auf die Spur kommen, nur dass diese Verletzung der Intimität einer Vergewaltigung gleichkam. Und in beiden Fällen gab es nichts, was man dagegen tun konnte. Man musste einfach lernen, damit zu leben.
    Als das Schweigen anhielt, drehte ich mich um und betrachtete ihr regloses Profil. Ich räusperte mich.
    »Wollen Sie es wirklich jetzt gleich tun? Nach Hause zurückkehren, meine ich?«
    Sie sah mich kaum an. »Ja, das will ich. Ich habe eine Tochter und einen Mann, die ich seit fast fünf Jahren nicht mehr gesehen habe. Sie glauben«, sagte sie und deutete auf ihren Körper, »das hier würde mich davon abhalten?«
    »Es wäre zumindest denkbar.«
    Die Lichter von Ember tauchten an der Küste der dunklen Landmasse auf, und die Limousine ging in den Sinkflug. Ich beobachtete Elliott aus dem Augenwinkel und sah, wie sie immer nervöser wurde. Sie rieb sich die Hände im Schoß, die Unterlippe ihres neuen Körpers klemmte zwischen den Zähnen. Sie atmete mit leisen, aber hörbaren Geräuschen aus.
    »Sie wissen nicht, dass ich komme?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete ich knapp. Ich wollte dieses Gesprächsthema nicht vertiefen. »Der Vertrag wurde zwischen Ihnen und JacSol West abgeschlossen. Ihre Familie hat damit nichts zu tun.«
    »Aber Sie geben mir die Möglichkeit, sie wiederzusehen. Warum?«
    »Weil ich ein Fan von Wiedersehensfeiern bin.« Ich richtete den Blick auf den dunklen Klotz des havarierten Flugzeugträgers, und wir landeten schweigend. Der Wagen wendete, um sich in den lokalen Verkehrsstrom einzufädeln, und ging ein paar hundert Meter nördlich von Elliotts Datenlinkhandel nieder. Wir fuhren ein Stück die Straße entlang, unter der Holoserie von Anchana Salomao, und parkten genau gegenüber der schmalen Ladenfront. Der kaputte Monitor als Türstopper war entfernt und die Tür geschlossen worden, aber im verglasten Büro im Hintergrund brannte Licht.
    Wir stiegen aus und überquerten die Straße. Die Tür war nicht nur verschlossen, sondern außerdem abgesperrt. Irene Elliott schlug ungeduldig mit einer kupferfarbenen Hand dagegen, bis sich jemand träge im Büro erhob. Kurz darauf kam eine Gestalt, die ich als Victor Elliott identifizierte, durch den Ladenbereich auf uns zu. Sein graues Haar war zerzaust, und sein Gesicht wirkte verschlafen und angeschwollen. Er lugte mit jenem unkonzentrierten Blick nach draußen, den ich schon häufiger bei Datenratten bemerkt hatte, die zu lange durch die Stacks gesurft waren. Cyberhigh.
    »Wer, zum Teufel…« Er stockte, als er mich wiedererkannte. »Was wollen Sie schon wieder hier, Grashüpfer? Und wer ist das?«
    »Vic?« Irene Elliotts neue Kehle klang, als wäre sie zu neun Zehnteln zugeschnürt. »Vic, ich bin’s.«
    Elliotts Augen sprangen zwischen meinem Gesicht und dem der zierlichen Asiatin neben mir hin und her, dann trafen ihre Worte ihn mit der Wucht eines Hammerschlags. Er zuckte sichtlich zusammen.
    »Irene?«, flüsterte er.
    »Ja, ich bin es«, gab sie heiser zurück. Tränen liefen ihr über die Wangen. Eine Weile starrten sie sich nur durch die Glasscheibe an, dann hantierte er mit dem Schloss und warf sich mit der Schulter gegen die Tür, damit sie aufging. Schließlich sank ihm die Frau mit der Kupferhaut auf der Schwelle in die Arme. Sie verschlangen sich zu einer Umarmung, die den Eindruck machte, als könnten jeden Augenblick die zarten Knochen des neuen Sleeves brechen. Ich interessierte mich plötzlich für die Straßenlampen, die entlang der Promenade angebracht waren.
    Nach einer Weile erinnerte sich Irene Elliott an mich. Sie löste sich aus den Armen ihres Mannes und drehte sich herum, während sie sich mit dem Handrücken die Tränen abwischte und mich mit strahlenden Augen anblinzelte.
    »Könnten Sie…«
    »Klar«, sagte ich in neutralem Tonfall. »Ich werde im Wagen warten. Wir sehen uns morgen früh.«
    Ich fing einen verwirrten Blick von Victor Elliott auf, als seine Frau ihn nach drinnen schob, nickte ihm freundlich zu und kehrte zur wartenden

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