Das Unsterblichkeitsprogramm
Wir wollen schließlich nicht, dass Kadmin Sie erledigt, bevor Sie Ihr Paket bei Bancroft abgeliefert haben. He, sind das die Wreckers?«
Ich folgte ihrem Blick zum Bildschirm, auf dem immer noch das Unterhaltungsprogramm lief, irgendeine Sportsendung. Winzige Gestalten huschten vorwärts und rückwärts über ein Feld, das mit einem Kreuzgitter unterlegt war, begleitet von einem kaum hörbaren Kommentar. Ein kurzer Zusammenstoß zwischen zwei Spielern löste ein insektenhaftes Tosen des Publikums aus. Offenbar hatte ich die Lautstärke reduziert, bevor ich eingeschlafen war. Ich schaltete den Bildschirm aus und erkannte nun, dass Trepp Recht hatte. Die Nacht hatte sich zu einem sanften blauen Schimmer verdünnt, der wie ein Bleichfleck in der Dunkelheit über die Gebäude an der Straße kroch.
»Sie sind also kein Fan?« Trepp deutete mit einem Nicken auf den Bildschirm. »War ich früher auch nicht, aber wenn man lange genug in New York lebt, gewöhnt man es sich an.«
»Trepp, wie, zum Henker, wollen Sie mir den Rücken freihalten, wenn Sie den Kopf in die Limousine stecken und auf den Bildschirm starren?«
Trepp bedachte mich mit einem verletzten Blick und zog sich zurück. Ich stieg aus dem Wagen und streckte mich in der kühlen Luft. Über mir strahlte Anchana Salomao immer noch, aber das Licht über dem Laden war aus.
»Sie waren bis vor ein paar Stunden wach«, brachte Trepp mich auf den letzten Stand. »Ich dachte, dass sie vielleicht abzuhauen versucht, also habe ich für Sie die Augen offen gehalten.«
Ich blickte zu den dunklen Fenstern hinauf. »Warum sollte sie abhauen? Sie hat ja noch nicht einmal gehört, was bei diesem Geschäft für sie herausspringt.«
»Die Beteiligung an einem Vergehen, das mit Auslöschung bestraft wird, dürfte jeden etwas nervös machen.«
»Aber nicht diese Frau«, sagte ich und überlegte gleichzeitig, ob ich selber daran glaubte.
Trepp zuckte die Achseln. »Wie Sie meinen. Ich glaube allerdings immer noch, dass Sie verrückt sind. Kawahara hat Dipper, die so etwas im Kopfstand hinkriegen.«
Da meine Gründe, warum ich Kawaharas Hilfsangebot nicht angenommen hatte, fast ausschließlich instinktiver Natur waren, sagte ich nichts.
Die eisige Gewissheit meiner Erkenntnisse über Bancroft, Kawahara und die Resolution 653 hatte nachgelassen, als ich mich während des Vortages mit den hastigen Vorbereitungen der Details beschäftigt hatte, und jegliches Wohlgefühl der Zusammengehörigkeit war verschwunden, als Ortega gegangen war. Jetzt wurde ich nur noch von der Schwerkraft der Mission angetrieben und musste mich mit den Empfindungen der kühlen Dämmerung und dem Rauschen der Wellen begnügen. Der Geschmack nach Ortega, den ich im Mund hatte, und die Wärme ihres langgliedrigen Körpers, der sich an meinen gekuschelt hatte, waren in der Kälte wie eine tropische Insel, die langsam hinter dem Horizont versank.
»Hat so früh am Morgen schon irgendein Laden geöffnet, wo man Kaffee bekommen kann?«, fragte ich.
»In einer Stadt dieser Größe?« Trepp atmete zischend durch die Zähne ein. »Das bezweifle ich. Aber ich habe auf der Herfahrt ein paar Automaten gesehen. Einer davon muss Kaffee im Angebot haben.«
»Maschinenkaffee?« Ich rümpfte die Nase.
»Mann, seit wann sind Sie ein derartiger Gourmet? Sie wohnen in einem Hotel, das nur ein einziger großer Automat ist. Kovacs, wir leben im Maschinenzeitalter. Hat Ihnen das noch niemand gesagt?«
»Eins zu null für Sie. Wie weit ist es?«
»Ein paar Kilometer. Wir können meinen Wagen nehmen, damit unsere Heimkehrerin keinen Schreck bekommt, wenn sie aufwacht und aus dem Fenster sieht.«
»Einverstanden.«
Ich folgte Trepp über die Straße zu einem sehr flachen Gefährt, das aussah, als wäre es auf dem Radar unsichtbar, und stieg in einen gemütlichen Innenraum, wo es leicht nach Räucherstäbchen duftete.
»Ist das Ihrer?«
»Nein, nur gemietet. Hab ihn mir zugelegt, als wir aus Europa zurückgekommen sind. Wieso?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ach, nichts.«
Trepp startete, und wir schwebten geisterhaft über die Promenade hinweg. Ich blickte meerwärts aus dem Fenster und kämpfte gegen ein leichtes Gefühl der Frustration an. Nach den wenigen Stunden Schlaf in der Limousine war ich gereizt. Plötzlich ging mir wieder alles auf die Nerven, von der ungelösten Frage nach Bancrofts Todesursache bis zu meinem Nikotinrückfall. Ich ahnte, dass es ein sehr schlechter Tag werden würde. Dabei war die Sonne
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