Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
über das nach, was Carnage gesagt hatte. Wer hatte ihm meine Handlungen vorausgesagt? Kadmin? Unwahrscheinlich. Trotz der wütenden Todesdrohungen wusste der Patchwork-Mann so gut wie nichts über mich. Im Grunde gab es nur einen Menschen, der mich gut genug kannte, um solche Vorhersagen treffen zu können, und das war Reileen Kawahara. Was auch erklärte, warum Carnage nicht in seiner synthetischen Haut schlotterte, wenn er daran dachte, was Kawahara ihm antun könnte, weil er mit Kadmin zusammenarbeitete. Kawahara war mit mir fertig. Bancroft war überzeugt, die Krise – was auch immer das Problem gewesen sein mochte – war vorbei, und noch am selben Tag hatten sie sich Ortega als Köder geschnappt. Die Geschichte, die ich Bancroft verkauft hatte, musste Kadmin als Einzelkämpfer Bauchschmerzen bereiten. Also gab es keinen Grund, warum er nicht versuchen sollte, mich zu erledigen. Und angesichts der gegebenen Umstände war es sicherer, mich zu entsorgen, als mich am Leben zu lassen.
    Das Gleiche galt für Kadmin, nur dass es vielleicht nicht so offensichtlich war. Wahrscheinlich war die Anweisung rausgegangen, Kadmin zur Strecke zu bringen, aber nur so lange, wie ich gebraucht wurde. Nachdem ich Bancroft überzeugt hatte, war ich wieder entbehrlich geworden, und daraufhin hatte der neue Befehl gelautet, dass Kadmin in Ruhe gelassen werden sollte. Es spielte keine Rolle mehr, ob er mich tötete oder ich ihn tötete. In diesem Fall musste Kawahara nur noch das aufräumen, was übrig blieb.
    Ich hatte keine Zweifel, dass Kawahara zu ihrem Wort stehen würde, was die Freilassung Sarahs betraf. Die Yakuza alten Stils waren in dieser Hinsicht recht eigen. Doch ein verbindliches Versprechen, mich unbehelligt zu lassen, hatte sie nicht abgegeben.
    Wir kraxelten eine letzte Treppe hinunter, die etwas breiter als die übrigen war, und traten auf eine verglaste Galerie über einer umgebauten Frachtzelle. Ich schaute hinunter und erkannte einen der Kampfplätze, an denen Ortega und ich vergangene Woche im Elektromag-Zug vorbeigefahren waren, aber nun hatte man die Plastikplanen vom Ring entfernt, und eine bescheidene Menge hatte sich in den vorderen Reihen der Plastiksitze versammelt. Durch das Glas konnte ich das aufgeregte und erwartungsvolle Raunen hören, das jedem Schaukampf vorausgegangen war, an dem ich in meiner Jugendzeit teilgenommen hatte.
    »Ah, Ihr Publikum erwartet Sie bereits.« Carnage stand neben mir. »Oder genauer gesagt, Rykers Publikum. Obwohl ich nicht daran zweifle, dass Sie es genauso geschickt in die Irre führen können, wie Sie es mit mir gemacht haben.«
    »Und wenn ich das gar nicht tun will?«
    Carnages grobe Züge ahmten den Ausdruck des Abscheus nach. Er deutete auf die Menge. »Sie könnten natürlich versuchen, es ihnen mitten im Kampf zu erklären. Aber um ehrlich zu sein, die Akustik der Halle ist nicht allzu gut und außerdem…« Er lächelte ohne Freundlichkeit. »Außerdem werden Sie kaum die Zeit dazu finden.«
    »Sie überlassen wohl nichts dem Zufall, wie?«
    Hinter Carnage beobachteten Pernilla Grip und der Synth mich mit dem Interesse von Katzen, die vor einem Vogelkäfig sitzen. Unten wurde die Menge vor Erwartung immer lauter.
    »Es hat mich ziemlich viel Zeit gekostet, diesen Kampf vorzubereiten. Obendrein hatte ich nicht mehr als Kadmins Zusicherungen. Diese Leute freuen sich darauf, Elias Ryker für seine Vergehen leiden zu sehen, und es wäre recht riskant, ihre Erwartungen nicht zu erfüllen. Und zudem äußerst unprofessionell. Andererseits denke ich doch, dass Sie nicht damit rechnen, den Kampf zu überleben, oder, Mr. Kovacs?«
    Ich erinnerte mich an die dunkle, menschenleere Straße namens Minna und Ortegas reglose Gestalt. Ich wehrte die Übelkeit ab, die eine Nachwirkung der Betäubung war, und rief aus meinen Lagerbeständen ein Lächeln ab.
    »Nein, eher nicht.«
    Leise Schritte in der Galerie. Ich warf einen flüchtigen Seitenblick in die Richtung, aus der sie kamen, und erkannte Kadmin, der genauso gekleidet war wie ich. Das Schlurfen der Raumdeck-Schuhe hielt in geringer Entfernung inne, und er legte den Kopf ein wenig schräg, als würde er mich zum ersten Mal mustern. Dann begann er leise zu sprechen.
     
»Wie soll ich das Sterben erklären?
Soll ich sagen, dass jeder seine Berechnungen machte
Und den Wert seiner Tage bestimmte,
Auf dem blutigen Seitenrand, mit nüchterner Hand?
Sie werden wissen wollen
Wie die Prüfung ablief.
Und ich werde

Weitere Kostenlose Bücher