Das Unsterblichkeitsprogramm
für alle Fälle.
»Wie viel willst du, Mann?«
»Alles«, sagte ich fröhlich. »Alles, was du hast.«
Dann durchschaute er mich, aber es war bereits zu spät. Ich hatte die zwei Finger gepackt, die nach den Kontrollen der Horrorbox greifen wollten.
»Ah… ah!«
Mit dem anderen Arm schlug er nach mir. Ich brach ihm die Finger. Er heulte auf und klappte zusammen, bildete eine schützende Kugel rund um den Schmerz. Ich trat ihm in die Magengrube und nahm ihm die Horrorbox ab. Hinter mir tauchte Ortega auf und ließ ihre Marke vor seinem schweißüberströmten Gesicht aufblitzen.
»Polizei von Bay City«, sagte sie lakonisch. »Sie sind verhaftet. Wollen wir mal sehen, was Sie so im Angebot haben.«
Das Betathanatin befand sich in kleinen Hautpflastern mit winzigen in Mull eingeschlagenen Ampullen. Ich hielt eine ins Licht und schüttelte sie. Die Flüssigkeit darin war hellrot.
»Was schätzt du?«, fragte ich Ortega. »Etwa acht Prozent?«
»Sieht so aus. Vielleicht weniger.« Ortega drückte dem Dealer ein Knie in den Nacken und stieß sein Gesicht gegen den Boden. »Wo panschst du das Zeug, Kumpel?«
»Das ist gute Ware«, kreischte der Dealer. »Ich kaufe sie direkt ein. Das ist…«
Ortega versetzte ihm mit den Fingerknöcheln einen schmerzhaften Schlag gegen den Schädel, worauf er verstummte.
»Das Zeug ist Mist«, sagte sie geduldig. »Es ist so stark verwässert, dass man davon nicht mal eine Erkältung bekommt. Wir wollen es nicht. Du kannst alles behalten und abhauen, wenn du willst. Wir wollen nur wissen, wo du es panschst. Eine Adresse.«
»Ich kenne keine…«
»Möchtest du auf der Flucht erschossen werden?«, fragte Ortega ihn in freundlichem Tonfall, worauf er plötzlich sehr nachdenklich wurde.
»In Oakland«, sagte er widerwillig.
Ortega gab ihm Papier und einen Stift. »Schreib die Adresse auf. Keine Namen, nur die Adresse. Und wenn du versuchst, mich zu verarschen, komme ich mit fünfzig Kubikzentimeter reinem Stiff zurück und flöße es dir ein, alles auf einmal.«
Sie nahm sich das bekritzelte Papier und warf einen Blick darauf, dann zog sie ihr Knie zurück und klopfte dem Dealer auf die Schulter.
»Gut. Jetzt steh auf und mach, dass du wegkommst. Du kannst morgen wieder an deinen Arbeitsplatz gehen, falls diese Adresse stimmt. Und wenn nicht, vergiss nicht, dass ich deinen Arbeitsplatz kenne.«
Wir blickten ihm nach, als er davonhumpelte, und Ortega tippte auf den Zettel.
»Ich kenne diesen Laden. Die Abteilung für Kontrollierte Substanzen hat ihn letztes Jahr ein paarmal hochgehen lassen, aber ein gewiefter Anwalt schafft es immer wieder, die wichtigen Leute freizubekommen. Wir werden eine Menge Lärm machen und den Eindruck erwecken, sie könnten uns mit einem Beutel reinem Stiff abspeisen.«
»Na gut.« Ich schaute dem Dealer nach. »Hättest du ihn wirklich erschossen?«
»Nein.« Ortega grinste. »Aber das weiß er nicht. Die KS macht es manchmal, um die schlimmsten Dealer von der Straße zu entfernen, wenn eine große Sache bevorsteht. Es folgt ein offizieller Tadel für den betreffenden Polizisten und eine Entschädigungszahlung für einen neuen Sleeve, aber das alles braucht Zeit, und das Entscheidende ist, dass der Übeltäter diese Zeit im Stack verbringt. Außerdem tut es weh, erschossen zu werden. Ich war doch überzeugend, oder?«
»Ich hatte Angst um den armen Kerl.«
»Vielleicht hätte ich Envoy werden sollen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Vielleicht solltest du weniger Zeit in meiner Nähe verbringen.«
Ich starrte zur Decke und wartete darauf, dass die Sonocodes mich einlullten und aus der Realität lockten. Links und rechts von mir hatten sich Davidson, die Datenratte von der OD, und Ortega auf den Liegen ausgestreckt, und selbst durch die Hypnofone konnte ich am äußersten Rand meiner Neurachem-Wahrnehmung ihren Atem hören, der langsam und regelmäßig ging. Ich versuchte mich zu entspannen, damit das Hypnosystem mich durch die Ebenen des verminderten Bewusstseins hinunterdrücken konnte, doch stattdessen arbeitete mein Geist auf Hochtouren, um die Einzelheiten des Vorhabens durchzugehen, wie eine Routine, die nach Programmfehlern suchte. Es war wie die Schlaflosigkeit, unter der ich nach Innenin gelitten hatte, ein entnervendes synaptisches Jucken, das einfach nicht verschwinden wollte. Als die Zeitanzeige am Rand meines Sichtfeldes mir verriet, dass mindestens eine volle Minute verstrichen war, stemmte ich mich auf einem Ellbogen hoch
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