Das Unsterblichkeitsprogramm
und betrachtete die Gestalten, die auf den anderen Liegen träumten.
»Gibt es Schwierigkeiten?«, fragte ich laut.
»Die Verfolgung von Sheryl Bostock ist abgeschlossen«, sagte das Hotel. »Ich bin davon ausgegangen, dass ich Sie lieber zu einem Zeitpunkt informieren sollte, wenn Sie allein sind.«
Ich setzte mich auf und zog mir die Troden vom Körper. »Deine Vermutung ist korrekt. Bist du dir sicher, dass die anderen abgetaucht sind?«
»Lieutenant Ortega und ihre Kollegen wurden vor schätzungsweise zwei Minuten in der Virtualität installiert. Irene Elliott ist bereits heute Nachmittag eingestiegen. Sie hatte darum gebeten, nicht gestört zu werden.«
»Mit welcher Ratio läuft das Programm zurzeit?«
»Elf Komma eins fünf. Auf Irene Elliotts Wunsch.«
Ich nickte und stieg von der Liege. Elf Komma fünfzehn war eine Standardratio, mit der viele Datenratten arbeiteten. Außerdem war es der Titel eines besonders blutigen, aber ansonsten wenig bemerkenswerten Experia-Films mit Micky Nozawa. Das einzige Detail, an das ich mich deutlich erinnerte, war, dass Micky in seiner Rolle am Ende überraschend den Tod gefunden hatte. Ich hoffte, das es kein schlechtes Omen war.
»Also gut«, sagte ich. »Schauen wir mal, was du herausgefunden hast.«
Zwischen dem kaum erkennbaren Wogen des Meeres und den Lichtern der Strandhütte lag ein Wäldchen aus Zitronenbäumen. Ich durchquerte es auf einem Feldweg, und der Zitrusduft war wie eine reinigende Dusche. Im langen Gras auf beiden Seiten war das beruhigende Sirren von Zikaden zu hören. Am samtigen Himmel standen Sterne wie fixierte Juwelen, und hinter der Kabine stieg das Land zu sanften Hügeln und felsigen Erhebungen auf. Undeutliche weiße Schafe bewegten sich in der Dunkelheit an den Hängen, und von irgendwo war das Bellen eines Hundes zu hören. Die Lichter eines Fischerdorfes flimmerten auf einer Seite, nicht so hell wie die Sterne.
Am Geländer der Veranda vor der Strandhütte hingen Sturmlampen, aber an den Holztischen saß niemand. Die vordere Wand war mit abstrakten Mustern bemalt, die sich wild um die leuchtenden Buchstaben schlängelten, die den Schriftzug Pension Blume ’68 ergaben. Windglocken baumelten am Geländer und blitzten in der leichten Brise, die vom Meer heranwehte. Sie gaben eine Vielzahl sanfter Klänge von sich, von gläsernem Klingeln bis zu dumpfen Holztönen.
Auf dem ungepflegten Rasen vor der Veranda hatte jemand eine wahllos zusammengestellte Sammlung von Sofas und Sesseln aufgebaut, die ungefähr einen Kreis ergaben. Es sah aus, als wäre die Strandhütte ohne das Mobiliar hochgehoben und etwas höher am Abhang wieder abgesetzt worden. Von den Sitzgelegenheiten kamen leise Stimmen, und in der Dämmerung war die rote Glut brennender Zigaretten zu sehen. Automatisch griff ich in die Tasche, bis mir klar wurde, dass ich weder eine Packung noch das Bedürfnis hatte. Ich verzog amüsiert das Gesicht.
Bautistas Stimme übertönte das allgemeine Gemurmel.
»Kovacs? Sind Sie das?«
»Wer sonst?«, hörte ich Ortega ungeduldig erwidern. »Wir sind hier in einer verdammten Virtualität.«
»Ja, aber…« Dann zuckte Bautista die Achseln und zeigte auf die unbesetzten Plätze. »Willkommen zur Party.«
Fünf Personen saßen im Kreis der Möbel. Irene Elliott und Davidson drängten sich in die gegenüberliegenden Ecken eines Sofas, das neben Bautistas Sessel stand. Auf der anderen Seite hatte Ortega ihren langgliedrigen Körper auf einem zweiten Sofa ausgebreitet.
Die fünfte Person hatte es sich in einem weiteren Sessel bequem gemacht, die Beine ausgestreckt, das Gesicht in tiefem Schatten. Drahtiges schwarzes Haar zeichnete sich als Silhouette hinter einem bunten Halstuch ab. Im Schoß der Gestalt lag eine weiße Gitarre. Ich blieb vor ihm stehen.
»Das Hendrix?«
»Korrekt.« Die Stimme hatte nun viel mehr Tiefe und Timbre. Die großen Hände strichen über die Bünde und warfen ein Saitenknäuel auf den dunklen Rasen. »Eine Entitätsprojektion, die von den ursprünglichen Designern programmiert wurde. Wenn man die Kundenfeedbacksysteme entfernt, bleibt das hier übrig.«
»Gut.« Ich setzte mich Irene Elliott gegenüber in einen Sessel. »Sind Sie mit der Arbeitsumgebung zufrieden?«
Sie nickte. »Ja, so ist es gut.«
»Wie lange sind Sie schon hier?«
»Ich?« Ein Achselzucken. »Einen Tag oder so. Ihre Freunde sind vor ein paar Stunden eingetroffen.«
»Vor zweieinhalb Stunden«, sagte Ortega mürrisch. »Was hat
Weitere Kostenlose Bücher