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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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Verdrängung, Rückzug. Hier im Corps lernst du, all diese Dinge zu benutzen, aber nicht als blinde Reaktion auf widrige Umstände, sondern als bewusst eingesetzten Spielzug.
     
    Das glühend rote Metall dringt in Fleisch ein, zerteilt die Haut wie Polyäthylen. Der Schmerz frisst an dir, aber schlimmer ist es, allem zusehen zu müssen. Dein Geschrei, das anfangs ungläubiges Entsetzen war, klingt nun auf schauerliche Weise vertraut in deinen Ohren. Du weißt, dass sie sich dadurch nicht beirren lassen, aber du schreist trotzdem weiter, flehst und bettelst, dass sie aufhören…
     
    »Ein ziemlich beschissenes Spiel, was, Kumpel?«
    Jimmy grinst mir im Tod zu. Innenin ist immer noch um uns, aber das kann nicht sein. Er hat geschrien, als sie ihn wegbrachten. In Wirklichkeit…
    Sein Gesicht verändert sich abrupt, wird düster.
    »Halt die Wirklichkeit aus dieser Sache raus, das bringt nichts. Bleib distanziert. Haben sie ihr ernsthafte Schäden zugefügt?«
    Ich zucke zusammen. »Ihre Füße. Sie kann nicht mehr laufen.«
    »Scheißkerle«, sagt er in sachlichem Tonfall. »Warum sagen wir ihnen nicht einfach, was sie wissen wollen?«
    »Wir wissen nicht, was sie wissen wollen. Sie interessieren sich nur für diesen Ryker.«
    »Ryker. Wer ist das, verdammt?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Er hebt die Schultern. »Dann erzähl ihnen doch von Bancroft. Oder meinst du immer noch, dass das gegen deine Ehre oder so was verstoßen würde?«
    »Ich glaube, davon habe ich schon erzählt. Aber sie kaufen es mir nicht ab. Das wollen sie nicht von mir hören. Es sind beschissene Amateure, Mann. Fleischpacker.«
    »Wenn du es weiter rausschreist, müssen sie es dir früher oder später glauben.«
    »Darum geht es doch gar nicht, Jimmy. Wenn das hier vorbei ist, spielt es keine Rolle mehr, wer ich bin. Sie werden mir eine Kugel durch den Stack jagen und den Körper an einen Ersatzteilhändler verkaufen.«
    »Ja.« Jimmy legt einen Finger in die leere Augenhöhle und kratzt geistesabwesend am Grind. » Verstehe. Nun, als Konstrukt musst du nur zusehen, dass du irgendwie einen Szenenwechsel hinkriegst. Alles klar?«
     
    Während der Bürgerkriege auf Harlans Welt hatte man den Guerillas der Schwarzen Brigaden der Quellisten ein Viertelkilo Sprengstoff implantiert, der durch Enzyme gezündet wurde und die Umgebung im Umkreis von fünfzig Quadratmetern in einen Aschehaufen verwandelte. Eine Taktik mit zweifelhaftem Erfolg. Das fragliche Enzym war an die Emotion des Zorns gekoppelt, und die Konditionierung, die benötigt wurde, um den Sprengsatz scharf zu machen, war etwas unberechenbar. Es kam zu mehreren unbeabsichtigten Detonationen.
    Trotzdem hatte sich nie jemand freiwillig gemeldet, ein Mitglied der Schwarzen Brigaden zu verhören. Zumindest nach dem ersten Mal nicht mehr. Ihr Name…
     
    Du hast gedacht, sie könnten dir nichts Schlimmeres mehr antun, aber nun spürst du das Eisen in dir, und sie lassen es langsam heißer werden, sodass du genügend Zeit hast, darüber nachzudenken. Dein Flehen ist nur noch ein Brabbeln…
     
    Was ich eigentlich sagen wollte…
    Ihr Name war Iphigenia Deme, von ihren Freunden, die noch nicht von den Streitkräften des Protektorats abgeschlachtet worden waren, Iffy genannt. Ihre letzten Worte, während sie an den Verhörtisch im Keller von Nummer Achtzehn am Shimatsu Boulevard gefesselt war, sollen gelautet haben: Verdammt, jetzt reicht es!
    Bei der Explosion wurde das gesamte Gebäude zerstört.
     
    Verdammt, jetzt reicht es!
     
    Ich wurde schlagartig wach, während ich noch den Nachhall meiner letzten Schreie hörte. Meine Hände tasteten, um sich auf erinnerte Wunden zu legen. Stattdessen nahm ich junge, unbeschädigte Haut unter steifem Leinen wahr, eine leichte Schaukelbewegung und das Geräusch kleiner schwappender Wellen in der Nähe. Über meinem Kopf war eine schräge Holzdecke und eine Luke, durch die in flachem Winkel Sonnenstrahlen drangen. Ich setzte mich in der schmalen Koje auf, und das Laken fiel von meinen Brüsten. Die kupferfarbenen oberen Wölbungen waren glatt und unversehrt, die Brustwarzen intakt.
    Zurück an den Anfang.
    Neben dem Bett stand ein einfacher Holzstuhl, auf dem ein weißes T-Shirt und eine Leinenhose ordentlich zusammengefaltet lagen. Daneben auf dem Boden ein Paar Sandalen. In der winzigen Kajüte gab es sonst nichts von Interesse, außer einer weiteren Koje, deren Laken nachlässig zurückgeworfen war, und einer Tür. Recht schlicht, aber die Botschaft

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