Das Unsterblichkeitsprogramm
weiß und mit starken Punktstrahlern besetzt. Ich richtete mich auf die Ellbogen gestützt auf und blickte mich um. Erneut die Empfindung von Kühle, doch nun kam sie von innen, als ich sah, dass ich mich in einem Operationssaal befand. Auf der anderen Seite stand eine blank polierte chirurgische Station mit komplettem Besteck, und darüber hing mit verschränkten Armen der spinnengleiche Autochirurg. Kein System war aktiv, aber auf mehreren kleinen Bildschirmen an der Wand und auf einem Monitor neben mir blinkte das Wort STANDBY. Ich beugte mich näher heran und sah, dass eine Checkliste über die Mattscheibe scrollte. Man hatte den Autochirurgen darauf programmiert, mich auseinander zu nehmen.
Ich schwang mich gerade von der Liege, als sich die Tür knarrend öffnete und die synthetische Frau mit zwei Ärzten im Schlepptau hereinkam. Der Partikelblaster hing an ihrer Hüfte, und in den Händen trug sie ein Bündel.
»Kleidung«, sagte sie und warf mir stirnrunzelnd die Sachen zu. »Ziehen Sie sich an.«
Einer der Ärzte legte die Hand auf ihren Arm. »Normalerweise müssten wir zunächst…«
»Ja, klar«, unterbrach ihn die Frau verächtlich. »Vielleicht wird er uns verklagen. Wenn Sie glauben, dass Sie keine simplen De- und Re-Prozesse durchfuhren können, sollte ich lieber mit Ray reden, ob wir dafür jemand anderen engagieren sollten.«
»Er hat nicht das Resleeving gemeint«, stellte ich fest, während ich die Hose anzog. »Er möchte mich auf ein Verhörtrauma untersuchen.«
»Wer hat Sie gefragt?«
Ich zuckte die Achseln. »Wie Sie meinen. Wohin gehen wir?«
»Mit jemandem reden«, antwortete sie lakonisch und wandte sich wieder an die Ärzte. »Wenn er der ist, der er zu sein behauptet, muss er sich wegen eines Traumas keine Sorgen machen. Und im gegenteiligen Fall wird er sowieso gleich wieder hierher verfrachtet.«
Ich zog mich weiter an, so würdevoll wie möglich. Also war ich noch nicht ganz aus der Schusslinie. Mein Wickelhemd und die Jacke waren intakt, aber das Stirntuch war verschwunden, was mich über Gebühr ärgerte. Ich hatte es erst vor wenigen Stunden gekauft. Die Uhr fehlte auch. Aber ich beschloss, deswegen keinen Aufstand zu machen, schloss die Druckverschlüsse meiner Stiefel und stand auf.
»Und zu wem werden wir gehen?«
Die Frau warf mir einen verdrießlichen Blick zu. »Zu jemand, der sich gut genug auskennt, um den Scheiß beurteilen zu können, den Sie uns auftischen. Und ich persönlich bin der Meinung, dass wir Sie anschließend hierher zurückbringen sollten, um Sie ordnungsgemäß zu entsorgen.«
»Wenn das hier vorbei ist«, sagte ich ruhig, »kann ich vielleicht eine von unseren Einheiten überzeugen, Ihnen einen Besuch abzustatten. Wenn Sie Ihren echten Sleeve tragen, heißt das. Sie würden sich bestimmt gerne für Ihre Unterstützung bedanken.«
Der Blaster sprang lautlos aus dem Holster und lag im nächsten Moment an meinem Kinn. Ich hatte es kaum verfolgen können. Meine kürzlich resleevten Sinne bemühten sich verzweifelt um eine Reaktion, aber viel zu spät. Die synthetische Frau beugte sich ganz nah an mein Gesicht heran.
»Lassen Sie sich nicht einfallen, mir noch einmal zu drohen, Sie Arschloch«, sagte sie leise. »Diese Clowns können Sie einschüchtern, weil sie hier einbetoniert sind und glauben, dass Sie die Möglichkeit haben, sie untergehen zu lassen. Das funktioniert bei mir nicht. Verstanden?«
Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel, so gut es ging, während mein Kopf auf der Mündung ihrer Waffe balancierte.
»Verstanden«, sagte ich.
»Gut«, hauchte sie und nahm den Blaster weg. »Wenn Ray Sie für sauber erklärt hat, werde ich mich mit den anderen in eine Reihe stellen und mich entschuldigen. Aber bis dahin sind Sie für mich nur ein armseliger Todeskandidat, der um seinen Stack winselt.«
In zügigem Tempo liefen wir durch Korridore, die ich mir einzuprägen versuchte, und nahmen einen Lift, der genauso wie der aussah, der mich zur Klinik gebracht hatte. Wieder zählte ich die Stockwerke mit, und als wir auf den Parkplatz hinaustraten, zuckte mein Blick automatisch zur Tür, durch die sie Louise weggebracht hatten. Meine zeitliche Erinnerung an die Folter war verschwommen – die Envoy-Konditionierung schirmte mich von der Erfahrung ab, um ein Trauma zu vermeiden –, aber selbst wenn sie mehrere Tage beansprucht hatte, konnten es nur etwa zehn Minuten Realzeit gewesen sein. Ich hatte mich vermutlich ein oder höchstens zwei
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