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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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und buchstäblich alles geschehen konnte.
    Wieder und wieder.
    In der Klinik herrschte einige Aufregung. Die Neuigkeit von Trepps Grilltour musste inzwischen eingetroffen sein, und das Gesicht, mit dem Jerry über den Monitor an der diskreten Eingangstür gesprochen hatte, war bei meinem Anblick totenblass geworden.
    »Wir dachten…«
    »Das spielt jetzt keine Rolle mehr«, erwiderte Jerry ungeduldig. »Macht die verdammte Tür auf. Wir müssen dieses Stück Scheiße endlich aus dem Weg räumen.«
    Die Klinik gehörte zu einem alten Block aus der Jahrtausendwende, den jemand im neoindustriellen Stil renoviert hatte. Die Türen waren mit dicken schwarz-gelben Winkeln bemalt, die Fassaden mit Gerüsten verkleidet und Balkone mit funktionslosen Kabeln und Winden behängt. Die Tür vor uns teilte sich lautlos an den nach oben zeigenden Spitzen der Winkel. Mit einem letzten Blick auf die Straße, die im Licht der frühen Dämmerung lag, stieß Jerry mich hinein.
    Der Eingangsraum war ebenfalls neoindustriell gestaltet, mit Gerüsten und freiliegendem Mauerwerk. Am Ende warteten zwei Sicherheitsleute. Einer hob die Hand, als wir uns näherten, worauf Jerry ihn knurrend anschnauzte.
    »Ich brauche keine Hilfe, verdammt! Ihr habt es verbockt und diesen Scheißkerl entkommen lassen!«
    Die Wachen tauschten einen stummen Blick und verwandelten die besitzergreifenden Handbewegungen in beschwichtigende Gesten. Sie begleiteten uns zu einer Aufzugtür, und ich erkannte, dass es derselbe Frachtlift war, mit dem ich beim letzten Mal vom Dachparkplatz nach unten gebracht worden war. Als wir ausstiegen, erwartete uns dasselbe medizinische Team und hielt Beruhigungsinjektionen bereit. Sie wirkten nervös und erschöpft. Die Nachtschicht war fast zu Ende. Als die gleiche Ärztin mir eine Injektion geben wollte, knurrte Jerry wieder. Er spielte seine Rolle perfekt.
    »Das könnt ihr euch sparen!« Er bohrte mir die Philips tiefer ins Genick. »Er entkommt uns nicht mehr. Ich will mit Miller reden.«
    »Er ist in einer OP.«
    »OP?« Jerry lachte bellend. »Du meinst, er sieht zu, was die Maschine treibt! Na gut, dann Chung.«
    Die Leute zögerten.
    »Was ist? Erzählt mir nicht, dass all eure Mitarbeiter gerade einer ehrlichen Beschäftigung nachgehen!«
    »Nein…« Der Mann neben mir gestikulierte. »Es verstößt gegen die Vorschriften, ihn bei Bewusstsein hineinzubringen.«
    »Erzählt mir keinen Blödsinn über irgendwelche Vorschriften!« Jerry verkörperte überzeugend einen Mann, der kurz vor einem Wutausbruch stand. »War es vielleicht vorschriftsgemäß, diesen Mistkerl entkommen zu lassen, damit er meinen Laden kurz und klein schlägt, nachdem ich ihn zu euch geschickt habe? Stand das etwa so in den Vorschriften?«
    Schweigen. Ich blickte auf den Blaster und die Nemex, die sich Jerry unter den Gürtel geschoben hatte, und schätzte die räumlichen Verhältnisse ein. Jerry packte meinen Kragen fester und drückte mir die Waffe unters Kinn. Er starrte die Ärzte wütend an und sprach mit zähneknirschender Ruhe weiter.
    »Er kann nichts anstellen. Habt ihr das kapiert? Wir haben keine Zeit für diesen Blödsinn. Wir werden jetzt zu Chung gehen. Bewegt euch endlich!«
    Sie kauften es ihm ab. Jeder hätte nachgegeben. Wenn man genügend Druck ausübte, reagierten die meisten Leute so. Sie beugten sich der höheren Autorität – oder dem Mann mit der Waffe in der Hand. Und diese Leute waren ermüdet und verängstigt. Wir bewegten uns in schnellem Tempo durch die Korridore. Am OP-Saal vorbei, in dem ich aufgewacht war, oder einem, der genauso eingerichtet war. Ich sah flüchtig einige Gestalten, die sich um den OP-Tisch versammelt hatten, während sich der Autochirurg spinnengleich über ihnen bewegte. Wir waren bereits ein Dutzend Schritte weiter, als jemand hinter uns in den Gang trat.
    »Einen Augenblick.« Die Stimme klang kultiviert, fast lässig, aber sie brachte die Ärzte und Jerry sofort zum Stehen. Wir drehten uns zu einer großen Gestalt in blauem Kittel um. An den Chirurgenhandschuhen waren feine Blutspritzer zu erkennen. Vorsichtig nahm er mit Daumen und Zeigefinger die Maske vom Gesicht. Er war auf sachliche Weise attraktiv, hatte blaue Augen, gebräunte Haut und ein kantiges Kinn – ein Ausbund an Kompetenz und Männlichkeit, dank eines erstklassigen Kosmetiksalons.
    »Miller«, sagte Jerry.
    »Was genau geht hier vor? Courault!« Er wandte sich an die Ärztin. »Sie sollten eigentlich wissen, dass hier niemand

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