Das unvollendete Bildnis
fort:
«Colonel Frere, der Polizeichef des Bezirks, übertrug dann den Fall mir. Auf Grund der Autopsie wurde einwandfrei festgestellt, dass der Tod durch Gift, und zwar durch Koniin, eingetreten war. Die Ärzte waren der Ansicht, dass das Gift dem Opfer zwei oder drei Stunden vor Eintritt des Todes verabfolgt worden sei. Auf dem Tisch vor Mr Crale hatten ein leeres Glas und eine leere Bierflasche gestanden. Die Überreste wurden analysiert, und im Glas fand man Spuren von Koniin, nicht aber in der Flasche. Ich stellte dann fest, dass in einem kleinen Schuppen neben der Schanze stets eine Kiste mit Bier sowie ein paar Gläser standen für den Fall, dass Mr Crale bei seiner Arbeit Durst bekäme. Doch an jenem Morgen hatte Mrs Crale eine eisgekühlte Flasche Bier aus dem Haus zur Schanze gebracht, wo sie Mr Crale eifrig arbeitend vorgefunden hatte; Miss Greer, die auf der Brustwehr saß, diente ihm als Modell.
Mrs Crale öffnete die Flasche, schenkte das Bier ein und reichte das Glas ihrem Mann, der vor der Staffelei stand. Er trank es in einem Zug aus – wie ich hörte, machte er das immer so. Dann schnitt er eine Grimasse, stellte das Glas auf den Tisch und sagte: ‹Mir schmeckt heute alles miserabel!› Woraufhin Miss Greer ihn auslachte und Mr Crale sagte: ‹Aber wenigstens war es kalt!›» Wieder hielt Hale inne, und Poirot fragte:
«Um welche Zeit war das?»
«Etwa Viertel nach elf. Mr Crale malte weiter. Laut Aussage von Miss Greer klagte er später über Steifheit in den Gliedern und erklärte brummend, dass es wahrscheinlich Rheumatismus sei. Er gehörte zu jenen Männern, die es hassen, Krankheiten einzugestehen, und er versuchte zweifellos zu verbergen, dass ihm übel war. Es ist charakteristisch für ihn, dass er später ärgerlich verlangte, allein gelassen zu werden, und die anderen zum Essen schickte. Vermutlich legte er sich sofort hin, um sich auszuruhen. Dann setzte wohl die Muskellähmung ein, und weil niemand da war, um zu helfen, starb er.
Ich ergriff die üblichen Maßnahmen. Die Feststellung der Tatsachen bot keine Schwierigkeiten.
Am Tag zuvor hatte es eine Auseinandersetzung zwischen Mrs Crale und Miss Greer gegeben. Letztere hatte ziemlich unverschämt davon gesprochen, was für Änderungen sie im Haus vornehmen wolle, und hinzugefügt: ‹Wenn ich erst hier wohne.› Worauf Mrs Crale fragte: ‹Was meinen Sie denn damit?› Miss Greer antwortete: ‹Tun Sie doch nicht so, als wüssten Sie nicht, was ich meine, Caroline. Treiben Sie doch keine Vogel-Strauß-Politik. Sie wissen genau, dass Amyas und ich uns lieben und dass wir heiraten werden.› Mrs Crale antwortete: ‹Das habe ich bisher nicht gewusst›, woraufhin Miss Greer sagte: ‹Also, dann wissen Sie es jetzt.›
In dem Augenblick trat Mr Crale ins Zimmer, und Mrs Crale fragte ihn: ‹Stimmt es, Amyas, dass du Elsa heiraten willst?› Mr Crale wandte sich zu Miss Greer und brüllte sie an: ‹Warum zum Teufel kannst du den Mund nicht halten?› Miss Greer antwortete: ‹Ich finde, Caroline sollte die Wahrheit erfahren.›
Weder fragte Mrs Crale ihren Mann: ‹Stimmt es, Amyas?›
Daraufhin wandte er sich ab und murmelte etwas Unverständliches.
Sie beharrte: ‹Sag es, ich muss es wissen.›
Er erwiderte: ‹Es stimmt schon, aber ich will jetzt nicht darüber sprechen.›
Dann stürzte er aus dem Zimmer, und Miss Greer sagte: ‹Sehen Sie!› und fügte hinzu, Mrs Crale solle sich doch nicht benehmen wie ein Hund, der dem anderen seinen Knochen nicht gönne. Sie seien doch vernünftige Menschen, und sie hoffe, dass Caroline und Amyas auch weiterhin gute Freunde bleiben würden.»
«Und was sagte Mrs Crale dazu?», fragte Poirot gespannt.
«Gemäß den Zeugenaussagen lachte sie und sagte: ‹Nur über meine Leiche, Elsa.› Dann ging sie zur Tür, und Miss Greer rief ihr nach: ‹Was soll das heißen?› Mrs Crale wandte sich um und antwortete: ‹Eher bringe ich Amyas um, als ihn Ihnen zu überlassen.›»
Hale machte eine eindrucksvolle Pause und meinte dann:
«Ziemlich belastend, nicht wahr?»
«Ja», antwortete Poirot nachdenklich. «Wer alles hat denn das gehört?»
«Miss Williams und Philip Blake waren im Zimmer; es war sehr peinlich für sie.»
«Ihre Aussagen stimmen überein?»
«Fast. Es gibt ja nie zwei völlig übereinstimmende Zeugenaussagen, das wissen Sie genauso gut wie ich, Monsieur Poirot.»
Poirot nickte, und Hale fuhr fort:
«Ich ließ das Haus durchsuchen. In Mrs Crales Schlafzimmer fand
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