Das unvollendete Bildnis
Conway von Dr. Andrew Faussett angerufen, der ihm mitteilte, dass Mr Amyas Crale plötzlich auf seinem Besitz Alderbury verschieden sei und dass er in Anbetracht der Umstände und auf Grund einer Erklärung von einem gewissen Mr Blake der Ansicht sei, es handle sich um einen Fall für die Polizei.
Inspektor Conway begab sich sofort in Begleitung eines Sergeanten und des Polizeiarztes nach Alderbury. Dr. Faussett führte ihn zur Leiche von Mr Crale, die nicht berührt worden war.
Mr Crale hatte in einem abgeschlossenen Teil des Gartens gemalt. Der Platz wurde als ‹die Schanze› bezeichnet, weil er die Küste beherrschte und nach der See zu durch eine Brustwehr mit Zinnen abgeschirmt war, auf der einige Miniaturkanonen standen. Der Platz lag etwa vier Minuten vom Haus entfernt. Mr Crale war zum Mittagessen nicht ins Haus gegangen, da er bestimmte Lichteffekte dieser Tageszeit nutzen wollte. Er war daher allein im Garten geblieben, was, wie bereits erwähnt, nicht ungewöhnlich war. Mr Crale legte wenig Wert auf regelmäßige Mahlzeiten, oft genügte ihm ein Sandwich. Am liebsten blieb er völlig ungestört.
Die Personen, die ihn zuletzt lebend gesehen hatten, waren Miss Elsa Greer – Gast im Hause – und Mr Meredith Blake, ein Nachbar. Die beiden waren zusammen zum Haus gegangen und hatten mit den anderen Hausbewohnern zu Mittag gegessen. Danach wurde auf der Terrasse Kaffee serviert.
Nachdem Mrs Crale ihren Kaffee getrunken hatte, erklärte sie, sie wolle zur Schanze gehen und nachsehen, wie Amyas mit der Arbeit vorankomme. Miss Cecilia Williams, die Gouvernante, begleitete sie, da sie einen Pullover ihrer Schülerin, Miss Angela Warren, der Schwester von Mrs Crale, suchen wollte, den das junge Mädchen wahrscheinlich am Strand liegen gelassen hatte.
Die beiden Damen begaben sich zusammen zur Schanze, und während Miss Williams den Pfad, der zum Strand führt, hinunterging, betrat Mrs Crale die Schanze. Miss Williams hörte nach einigen Sekunden einen Schrei des Entsetzens und eilte zurück.
Mr Crale lag tot auf einer Bank.
Auf Mrs Crales Wunsch eilte Miss Williams zum Haus zurück, um einen Arzt anzurufen. Unterwegs begegnete ihr Mr Meredith Blake, dem sie ihren Auftrag übergab, sodass sie zu Mrs Crale zurückkehren konnte, um ihr beizustehen. Eine Viertelstunde später erschien Dr. Faussett.
Er sah sofort, dass Mr Crale schon seit einiger Zeit tot war – er schätzte, dass der Tod zwischen ein und zwei Uhr eingetreten sei. Die Todesursache war nicht erkennbar; man sah keine Spuren einer Gewalttat. Da aber Dr. Faussett wusste, dass Mr Crale sich einer guten Gesundheit erfreute, schöpfte er Verdacht. Und in diesem Moment kam Mr Philip Blake und machte Dr. Faussett eine gewisse Mitteilung.»
Hale hielt inne, schöpfte tief Atem und fuhr gleich darauf fort:
«Später wiederholte Mr Blake diese Erklärung vor Inspektor Conway. Am Morgen hatte ihn sein Bruder, Mr Meredith Blake, der in Handcross Manor, etwa zweieinhalb Kilometer entfernt, wohnte, angerufen. Mr Meredith Blake war ein Amateurchemiker, oder, richtiger gesagt, ein Heilkräutersammler. Als er am Morgen sein Laboratorium betrat, stellte er bestürzt fest, dass eine Flasche mit Schierlingssaft, die noch am Tag zuvor voll gewesen, fast leer war. Beunruhigt rief er seinen Bruder an und fragte ihn um Rat.
Mr Philip Blake empfahl ihm, sofort nach Alderbury zu kommen, um die Angelegenheit zu besprechen. Er war dann seinem Bruder entgegengegangen, und gemeinsam waren sie zum Haus gekommen. Sie waren aber zu keinem Resultat gelangt und schoben die weitere Besprechung bis nach dem Mittagessen auf.
Inspektor Conway stellte dann folgende Tatsachen fest: Am Nachmittag des vorhergehenden Tages waren fünf Personen aus Alderbury zum Tee in Handcross Manor gewesen, und zwar Mr und Mrs Crale, Miss Angela Warren, Miss Elsa Greer und Mr Philip Blake. Mr Meredith Blake hatte seinen Gästen einen Vortrag über sein Steckenpferd gehalten und ihnen sein kleines Laboratorium gezeigt. Dabei hatte er die Eigenart einiger Säfte erklärt, darunter auch die von Koniin, einem Schierlingsextrakt. Er sagte, dass dieser Saft, in kleinen Dosen verabreicht, ein wirksames Mittel gegen Keuchhusten und Asthma sei, fügte aber hinzu, dass er in größeren Mengen von tödlicher Wirkung sei. Zur Illustrierung seiner Ausführungen las er eine entsprechende Stelle aus einem griechischen Klassiker vor.»
Wieder hielt Hale inne, stopfte seine Pfeife neu und fuhr dann im selben Ton
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