Das unvollendete Bildnis
– zwecks Regelung einer dunklen Angelegenheit ging. Aber da schrieb nun Lady Mary Lytton-Gore:
« Hercule Poirot ist ein alter Freund von mir, den ich sehr schä t ze. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm gefällig wären. »
Und Mary Lytton-Gore war wirklich nicht jemand, der sich mit den üblichen Privatdetektiven einlassen würde. Und Admiral Cronshaw schrieb:
« Ein tadelloser Mensch, hochanständig. Ich wäre Ihnen sehr ve r bunden, wenn Sie ihm helfen würden. Er ist ein höchst amüsanter Mann, der ausgezeichnet Geschichten zu erzählen weiß ! »
Und der Mann selber! Ein unmöglicher Mensch! Merkwürdig gekleidet… Knopfstiefel… ein lächerlicher Schnurrbart. Kein Mann für ihn. Sah nicht aus, als sei er je auf die Jagd gegangen oder habe je Kricket oder Golf gespielt. Ein Ausländer!
Leicht amüsiert las Hercule Poirot seinem Gastgeber diese Gedanken von der Stirn ab. Merediths eher kühler Empfang störte ihn nicht, denn er empfand eine seltsame Erregung darüber, nun hier in Handcross Manor zu sein, wo die zwei Brüder ihre Jugend verbracht hatten, von wo sie nach Alderbury hinübergingen, um dort Tennis zu spielen mit dem jungen Amyas Crale und einem Mädchen namens Caroline. Von hier aus war Meredith auch an jenem schicksalhaften Morgen vor sechzehn Jahren nach Alderbury gegangen.
Poirot fand, dass Meredith Blake genau seinen Vorstellungen entsprach. In seiner schäbigen alten Tweedjacke verkörperte er den typischen englischen Landedelmann, der in beschränkten Verhältnissen lebt. Er hatte ein gutmütiges, verwittertes Gesicht, blassblaue Augen; der weiche Mund wurde von einem zerzausten Schnurrbart halb verborgen. Meredith war das genaue Gegenteil von seinem Bruder. Er machte einen unentschlossenen Eindruck und vermochte offensichtlich nur langsam zu denken; es schien, als habe die Zeit das Tempo seiner Denkprozesse noch verlangsamt, während sie es bei seinem Bruder beschleunigt hatte.
Wie Poirot vermutet hatte, war Meredith ein Mensch, den man nicht drängen durfte; dafür steckte ihm das gemütliche englische Landleben zu sehr in den Knochen. Er sah wesentlich älter aus als sein Bruder, obwohl die beiden, wie Poirot wusste, nur zwei Jahre auseinander waren.
Zuerst plauderten die beiden Herren eine Weile über Lady Mary Lytton-Gore und den Admiral und andere gemeinsame Bekannte. Allmählich, höchst vorsichtig, lenkte Poirot das Gespräch auf den Zweck seines Besuches, und als Meredith entsetzt hochfuhr, erklärte er betrübt, dass das Buch unter allen Umständen geschrieben werden müsse. Miss Crale – Miss Lemarchant, wie sie jetzt heiße – habe ihn sehr gebeten, um eine würdige, diskrete Abfassung besorgt zu sein. Die Veröffentlichung der Tatsachen könnte ja leider Gottes nicht verhindert, aber peinliche Indiskretionen vermieden werden. Poirot fügte hinzu, dass er dank seines Einflusses stets imstande gewesen sei, die Publikation von gewissen zu persönlichen Einzelheiten zu verhindern.
Meredith Blake war vor Erregung rot geworden, und seine Hand zitterte, als er sich eine Pfeife stopfte. Fast stotternd sagte er:
«Es ist ab… abscheulich, auf diese Weise alte Dinge auszugraben. S-s-sechzehn Jahre ist es nun her. Warum kann man das nicht ruhen lassen?»
Achselzuckend entgegnete Poirot:
«Ich bin ganz Ihrer Meinung. Aber was soll man tun? Solche Dinge werden gelesen. Und jedermann kann über Morde schreiben und sie kommentieren.»
«Wie widerwärtig!»
«Unsere Zeit ist nicht sehr taktvoll. Sie wären überrascht, Mr Blake, wenn Sie wüssten, wie viele unerfreuliche Veröffentlichungen ich schon mit Erfolg gedämpft habe. Ich werde sehr darauf bedacht sein, Miss Crales Gefühle zu schonen.»
«Die kleine Carla!», murmelte Meredith. «Amyas’ Kind ist nun auch schon erwachsen, man kann es kaum glauben.»
«Ja, die Zeit fliegt. Wie Sie Miss Crales Brief entnommen haben werden, möchte sie unbedingt alle Einzelheiten über die traurigen Ereignisse erfahren.»
Meredith erwiderte ärgerlich:
«Aber wozu? Warum denn alles wieder ausgraben? Es wäre doch viel besser, es zu vergessen.»
«Das sagen Sie, Mr Blake, weil Sie alles genau wissen. Aber Miss Crale weiß nichts, das heißt, sie kennt die Geschehnisse nur aus den amtlichen Akten.»
«Das stimmt. Die Arme. Was für eine schreckliche Situation für sie! Wie entsetzlich muss es für sie gewesen sein, als sie die Wahrheit erfuhr! Und dann diese herzlosen, trockenen Polizeiberichte.»
«Die Wahrheit
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