Das unvollendete Bildnis
von zwei eifersüchtigen Weibern verderben – ich denke nicht daran!› Es hatte also keinen Zweck, mit ihm zu reden. Ich sagte ihm noch, er habe anscheinend das Gefühl für die elementarsten Regeln des Anstands verloren; Malerei bedeute schließlich nicht alles. Da unterbrach er mich und sagte: ‹Für mich schon!› Darauf erklärte ich ihm sehr energisch, dass er seine Ehe nicht zerstören dürfe, schließlich müsse er auch an das Kind denken. Ich hätte zwar Verständnis dafür, dass ein Mädchen wie Elsa einen Mann um den Verstand bringen könne, aber gerade um ihretwillen dürfe er nicht so rücksichtslos sein. Sie sei noch jung und habe sich blindlings in ihn verliebt, könnte es aber später bitter bereuen. Er solle sich doch zusammenreißen, mit Elsa Schluss machen und zu seiner Frau zurückkehren.»
«Und was sagte er?»
«Er blickte mich verlegen an, dann klopfte er mir auf die Schultern und sagte: ‹Du bist ein guter Kerl, Meredith, aber du bist zu sentimental. Warte ab, bis das Bild fertig ist, dann wirst du einsehen, dass ich Recht habe.› Ich rief: ‹Zum Teufel mit deinem Bild!› Worauf er grinsend erwiderte, das könnten sämtliche hysterischen Weiber Englands nicht fertig bringen. Dann sagte ich, er hätte wenigstens so viel Anstand besitzen müssen, die Affäre vor Caroline geheim zu halten, bis das Bild fertig sei, worauf er antwortete, das sei nicht seine Schuld. Elsa habe aus der Schule geplaudert. Sie habe sich in den Kopf gesetzt, es sei unanständig, keine klare Situation zu schaffen. In gewisser Weise kann man das Mädchen da verstehen, ja es ihr sogar zugute halten; so schlecht sie sich auch benahm, sie wollte wenigstens ehrlich sein.»
«Durch zu große Ehrlichkeit ist schon viel Kummer und Schmerz entstanden», bemerkte Poirot.
Meredith blickte ihn zweifelnd an; offensichtlich fand er diese Ansicht zynisch. Seufzend sagte er:
«Es war für uns alle eine höchst peinliche Situation.»
«Der einzige Mensch, den das nicht gestört zu haben scheint, war Amyas Crale», bemerkte Poirot.
«Weil er ein krasser Egoist war. Ich sehe ihn heute noch vor mir, wie er grinsend fortging und zu mir sagte: ‹Du kannst ruhig schlafen, Meredith. Es wird schon alles gut werden!›»
«Der unverbesserliche Optimist», murmelte Poirot.
Blake erklärte: «Er nahm die Frauen nicht ernst, selbst wenn ich ihm gesagt hätte, dass Caroline verzweifelt sei.»
«Hat sie Ihnen das gesagt?»
«Nicht direkt, aber wie sah sie an dem Nachmittag aus! Totenblass, gespannt, verzweifelt fröhlich. Sie sprach und lachte viel. Aber ihre Augen! Es lag ein so tiefer Kummer darin… Es war das Ergreifendste, was ich je gesehen habe.»
Schweigend betrachtete Poirot ihn. Der Mann, der da vor ihm saß, schien sich gar nicht darüber klar zu sein, wie unvereinbar alles, was er von der Frau erzählte, mit einer Mörderin war.
Meredith Blake sprach weiter. Offensichtlich hatte er nun seine anfängliche misstrauische Feindseligkeit aufgegeben. Hercule Poirot war ein guter Zuhörer, und Menschen wie Meredith Blake lieben es, in die Vergangenheit zurückzuschweifen. Er schien mehr für sich als für seinen Gast zu sprechen.
«Ich hätte Verdacht schöpfen müssen, denn Caroline brachte das Gespräch auf mein Steckenpferd. Ich muss gestehen, dass ich davon besessen war. Das Studium der alten englischen Heilkräuterkunde ist äußerst interessant. Es gibt so viele Pflanzen, die früher als Heilmittel benutzt wurden und heutzutage völlig aus der Pharmakologie verschwunden sind. Ja, ich muss zugeben, dass das Brauen von Säften eine Leidenschaft von mir ist. Die Pflanzen zur richtigen Zeit pflücken, sie trocknen, sie im Mörser zerstampfen… und all das. Und an diesem Tag hielt ich meinen Gästen einen Vortrag über den zweijährigen gefleckten Schierling. Man pflückt die Früchte kurz vor der Reife, gerade bevor sie gelb werden. Das Präparat, das man daraus gewinnt, heißt Koniin. Es ist ein tödliches Gift, aber ich habe bewiesen, dass es in kleinen Dosen sehr gut bei Keuchhusten hilft und auch bei Asthma…»
«All das haben Sie erzählt?»
«Ja, während ich ihnen das Laboratorium zeigte. Ich erklärte die verschiedenen Drogen, zum Beispiel Baldrian und dessen Wirkung auf Katzen – einmal daran riechen genügt für sie! Es interessierte sie alle sehr.»
«Alle? Wer genau ist damit gemeint?»
«Die ganze Teegesellschaft… also Philip war da und Amyas und natürlich Caroline, auch Angela und Elsa Greer.»
«Das
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