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Das unvollendete Bildnis

Das unvollendete Bildnis

Titel: Das unvollendete Bildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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verbissen hat – namentlich wenn eine Frau dabei im Spiel ist –, ist es schwer, ihn davon abzubringen.»
    «Das stimmt», sagte Meredith mit einem bitteren Unterton. «Meine Einmischung hat jedenfalls nichts genützt, aber ich besitze ja auch keine Überzeugungskraft.»
    Poirot entnahm dem bitteren Ton, dass Meredith unter seinem Mangel an Persönlichkeit litt. Seine wohl gemeinten Ratschläge wurden wahrscheinlich stets missachtet, sicher nicht auf unfreundliche Weise, aber eben einfach beiseite geschoben. Meredith war ein Mensch ohne Durchsetzungsvermögen.
    Um das peinliche Thema zu wechseln, erkundigte sich Poirot:
    «Sie haben doch noch immer Ihr Laboratorium?»
    «Nein.»
    Es klang scharf, wütend, und Blake war rot geworden.
    «Ich habe es aufgegeben, ich habe alles fortgeschafft. Ich konnte doch nicht weitermachen – nach dem, was geschehen war. Man konnte doch beinahe sagen, dass ich an allem Schuld hatte.»
    «Nein, nein, Mr Blake, Sie sind zu empfindlich. Aber noch eine Frage: Waren keine Fingerabdrücke auf der Koniin-Flasche?»
    «Ihre.»
    «Caroline Crales?»
    «Ja.»
    «Nicht Ihre?»
    «Nein, ich hatte die Flasche nicht angefasst, hatte nur darauf gedeutet.»
    «Aber irgendwann werden Sie sie doch einmal angefasst haben?»
    «Natürlich, aber ich staube die Flaschen von Zeit zu Zeit ab – ich ließ natürlich nie einen Dienstboten dort hinein –, und das hatte ich erst vier, fünf Tage vorher gerade getan.»
    «War der Raum verschlossen?»
    «Immer.»
    «Wann nahm Caroline Crale das Koniin aus der Flasche?»
    Widerstrebend antwortete Blake:
    «Sie verließ das Zimmer als Letzte. Ich erinnere mich noch, dass ich sie rief und dass sie dann herausgeeilt kam. Sie war ein wenig rot im Gesicht, und ihre Augen waren vor Erregung weit aufgerissen. Mein Gott, ich sehe sie jetzt direkt wieder vor mir.»
    «Haben Sie an dem Nachmittag noch mit ihr gesprochen? Ich meine, haben Sie mit ihr über den Streit mit ihrem Mann gesprochen?»
    «Nicht direkt. Wie ich Ihnen schon sagte, sah sie aufgeregt aus. Als wir einen Moment allein waren, fragte ich sie: ‹Ist etwas nicht in Ordnung?› Sie antwortete: ‹Alles ist nicht in Ordnung…› Sie hätten ihren verzweifelten Ton hören müssen – Amyas Crale war Carolines ganze Welt.
    Sie fügte hinzu: ‹Alles ist aus… für immer vorbei. Ich bin am Ende, Meredith!› Dann aber lachte sie, wandte sich zu den anderen und war plötzlich unnatürlich lustig.»
    Poirot nickte nachdenklich. Er sah aus wie ein chinesischer Mandarin, als er nun sagte:
    «Ja… ich verstehe… so war es…»
    Blake schlug plötzlich mit der Faust auf den Tisch und erklärte beinahe brüllend:
    «Und ich sage Ihnen, Monsieur Poirot, als Caroline vor Gericht sagte, sie habe das Gift für sich genommen, sprach sie die Wahrheit. Sie hatte keine Mordabsichten, das schwöre ich Ihnen. Das kam erst später.»
    «Sind Sie sicher, dass sie diese Absicht überhaupt hatte?», fragte Poirot.
    Blake starrte ihn an.
    «Wie bitte? Ich verstehe Sie nicht ganz…»
    «Ich frage Sie, ob Sie sicher sind, dass ihr der Mordgedanke überhaupt je in den Sinn kam? Sind Sie völlig überzeugt davon, dass Caroline Crale vorbedacht einen Mord begangen hat?»
    Schwer atmend antwortete Blake:
    «Aber wenn nicht sie… wenn nicht… glauben Sie etwa… an einen Unfall?»
    «Nicht unbedingt.»
    «Wie kommen Sie dazu?»
    «Sie haben Caroline Crale als besonders zart und gütig geschildert, verüben zarte, gütige Menschen einen Mord?»
    «Sie war zart, sie war gütig… aber trotzdem… sie hatten entsetzliche Auseinandersetzungen. Caroline konnte unbedachte Dinge sagen, sie war imstande, auszurufen: ‹Ich hasse dich, ich wünschte, du wärst tot!› Aber zwischen dem Wort und der Tat besteht doch ein gewaltiger Unterschied.»
    «Ihrer Ansicht nach war es also kaum denkbar, dass Mrs Crale einen Mord beging?»
    «Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Monsieur Poirot. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es höchst unwahrscheinlich war, und ich kann es mir nur so erklären, dass die Herausforderung zu groß war. Sie vergötterte ihren Mann… und unter diesen Umständen könnte eine Frau imstande sein… zu töten.»
    Poirot nickte.
    «Da haben Sie Recht.»
    «Ich war zunächst wie betäubt; ich hielt es nicht für möglich. Und es war auch nicht möglich… verstehen Sie mich… es war nicht die eigentliche Caroline, die es getan hat.»
    «Sind Sie ganz sicher, dass – im juristischen Sinne des Wortes – Caroline Crale den

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