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Das unvollendete Bildnis

Das unvollendete Bildnis

Titel: Das unvollendete Bildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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eingedrungen war. Sowie ich mich angezogen hatte, ging ich hinunter ins Laboratorium. Ich bemerkte sofort, dass die Koniinflasche außerhalb der Reihe stand, und dann stellte ich zu meinem Erstaunen fest, dass die am Tag zuvor noch volle Flasche fast leer war.
    Ich war entsetzt und verwirrt. Leider muss ich gestehen, dass mein Verstand etwas langsam arbeitet. Erst war ich bestürzt, dann besorgt, dann ausgesprochen beunruhigt. Ich fragte die Dienstboten, aber alle behaupteten, keinen Schritt ins Laboratorium getan zu haben, und nach einigem Überlegen rief ich meinen Bruder an. Philip begriff sofort, was meine Entdeckung bedeutete, und forderte mich auf, gleich zu ihm zu kommen.
    Als ich das Haus verließ, begegnete mir Miss Williams, die auf der Suche nach Angela war. Ich konnte ihr versichern, dass ich Angela nicht gesehen habe und dass sie nicht im Haus gewesen sei.
    Ich ging hinunter zur Bucht und ruderte hinüber. Mein Bruder erwartete mich bereits am Ufer, und wir schlugen den Pfad ein, der unterhalb der Schanze verläuft. Sie kennen ja den Weg und wissen, dass man Gespräche, die auf der Schanze geführt werden, dort hören kann. Wir hörten, dass Caroline und Amyas wieder eine Auseinandersetzung hatten, aber ich achtete nicht weiter darauf. Jedenfalls vernahm ich von Caroline keine Drohung. Es drehte sich um Angela, und ich nehme an, dass Caroline versuchte, Amyas’ Entschluss, sie ins Internat zu schicken, rückgängig zu machen. Amyas war jedoch unerbittlich und schrie wütend, es sei alles beschlossen, er würde sogar für sie packen.
    Als wir zur Schanze kamen, begegnete uns Caroline. Sie machte einen etwas verwirrten Eindruck, aber es fiel mir nicht weiter auf. Sie lächelte wie abwesend und erklärte, sie hätten über Angela gesprochen. In dem Augenblick kam Elsa den Pfad herunter, und da Amyas uns offensichtlich loswerden wollte, gingen wir in Richtung Haus.
    Philip machte sich später schwere Vorwürfe, weil er nicht sofort etwas unternommen hatte, aber ich sehe das anders. Wir hatten kein Recht zu der Annahme, dass ein Mord beabsichtigt war. (Und ich glaube auch nicht, dass er beabsichtigt war.) Natürlich mussten wir etwas unternehmen, aber ich finde es auch heute noch richtig, dass wir die Angelegenheit erst einmal eingehend besprachen. Außerdem war ich noch nicht ganz sicher, ob ich mich nicht vielleicht doch geirrt hatte. War die Flasche wirklich voll gewesen? Ich bin nicht so wie mein Bruder Philip, der immer alles hundertprozentig genau weiß. Das Gedächtnis spielt einem zuweilen einen Streich wie oft könnte man schwören, dass man eine Sache an einen bestimmten Platz gelegt hat, und findet dann später heraus, dass sie ganz woanders liegt. Je mehr ich über den Zustand der Flasche am vorhergehenden Tag nachdachte, um so unsicherer wurde ich. Philip ärgerte sich sehr darüber. Wir konnten aber unsere Unterhaltung nicht fortsetzen und einigten uns stillschweigend, sie bis nach dem Mittagessen zu verschieben.
    Später brachten uns Angela und Caroline Bier. Ich warnte Angela und sagte ihr, dass Miss Williams sich auf dem Kriegspfad befände und sie suchen würde, und sie entgegnete, sie sähe nicht ein, warum sie ihren scheußlichen alten Rock flicken solle, da sie doch lauter neue Sachen für die Schule bekäme. Schwimmen mache ihr viel mehr Spaß.
    Da ich jetzt doch nicht mit Philip allein sprechen konnte, wollte ich mir die Angelegenheit noch mal in Ruhe überlegen und ging den Pfad, der zur Schanze führt, hinunter. Direkt oberhalb der Schanze befindet sich ein Plateau – ich habe es Ihnen gezeigt –, dort setzte ich mich hin, rauchte und grübelte und betrachtete Elsa, die Amyas für sein Bild saß.
    Ich sehe sie noch immer vor mir in ihrem gelben Hemd, den dunkelblauen Hosen und dem roten Pullover, den sie um die Schultern geschlungen hatte. Sie war so lebendig, so gesund, so strahlend und zukunftsfreudig. Das hört sich an, als hätte ich gelauscht, aber das war nicht der Fall. Sie konnten mich ja sehen und wussten, dass ich in der Nähe war. Elsa winkte mir zu und rief, Amyas sei ein Unmensch, sie dürfe sich keinen Moment ausruhen. Sie sei schon ganz steif, und alle ihre Glieder schmerzten.
    Amyas knurrte, dass sie bestimmt nicht so steif sei wie er, ihm täten alle Glieder weh; es sei wohl der Rheumatismus.
    Spöttisch entgegnete Elsa:
    «Armer, alter Mann!»
    Worauf er erwiderte, sie müsse sich eben mit einem jämmerlichen Invaliden begnügen.
    Die leichtfertige Unterhaltung

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