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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Konferenzraums saßen sieben Anwälte, von denen jeder eine Million Dollar für das Privileg bezahlt hatte, an diesem Ereignis teilnehmen zu dürfen. Niemand sonst befand sich in dem Zimmer, niemand außer Wendall Rohr, der auf der anderen Seite des Tisches stand, langsam hin- und herging und leise, mit gemessenen Worten, zu seiner Jury sprach. Seine Stimme war warm und volltönend, in einer Sekunde von Mitgefühl erfüllt und in der nächsten mit harten Worten für Big Tobacco. Er klagte an, und er schmeichelte. Er war humorvoll, und er war zornig. Er zeigte ihnen Fotos, und er schrieb Zahlen auf eine Tafel.
    Nach einundfünfzig Minuten war er fertig. Es war die bisher kürzeste Probe. Das Schlußplädoyer durfte höchstens eine Stunde dauern, Anweisung von Richter Harkin. Die Kommentare seiner Kollegen kamen rasch, einige beifällig, aber die meisten waren Verbesserungsvorschläge. Ein kritischeres Publikum gab es nicht. Die sieben hatten bei Hunderten von Abschlußplädoyers zusammengearbeitet, die fast eine halbe Milliarde Dollar Schadenersatz eingebracht hatten. Sie wußten, wie man aus Jurys große Beträge herausholt.
    Sie waren übereingekommen, ihre Egos draußen vor der Tür zurückzulassen. Rohr bezog eine weitere Tracht Prügel, etwas, das ihm sehr schwerfiel, und erklärte sich bereit, sein Plädoyer noch einmal zu halten.
    Es mußte perfekt sein. Der Sieg war so nahe.
    Cable war ähnlicher Kritik ausgesetzt. Sein Publikum war wesentlich größer - ein Dutzend Anwälte, mehrere Jury-Berater, jede Menge Anwaltsgehilfen. Sein Plädoyer wurde auf Video aufgenommen, damit er sich selbst studieren konnte. Er war entschlossen, es in einer halben Stunde zu schaffen. Die Jury würde es zu würdigen wissen. Rohr würde zweifellos länger reden. Der Kontrast würde hübsch sein - auf der einen Seite der sich an die Fakten haltende Techniker Cable, und auf der anderen Rohr, der brillante Schwätzer, der an ihre Emotionen appellierte.
    Er hielt sein Plädoyer, dann sah er sich das Video an. Immer und immer wieder, den ganzen Sonntag nachmittag und bis tief in die Nacht hinein.
    Als Fitch in dem Strandhaus eintraf, hatte er es geschafft, zu seinem üblichen, von vorsichtigem Pessimismus geprägten Zustand zurückzufinden. Die vier Generaldirektoren warteten. Sie hatten gerade eine gute Mahlzeit beendet. Jankle war betrunken und saß allein am Kamin. Fitch akzeptierte einen Kaffee und setzte ihnen die Anstrengungen auseinander, die die Verteidigung in letzter Minute unternahm. Die Fragen kamen rasch auf das Thema der Überweisungen, die er am Freitag verlangt hatte; zwei Millionen Dollar von jedem der vier.
    Vor Freitag hatte der Fonds einen Bestand von sechseinhalb Millionen gehabt, doch bestimmt mehr als genug zur Beendigung des Prozesses. Wofür waren die zusätzlichen acht Millionen? Und wieviel enthielt der Fonds jetzt?
    Fitch erklärte, daß die Verteidigung eine plötzliche, nicht eingeplante Verpflichtung größten Ausmaßes gehabt hätte.
    »Reden Sie nicht um den heißen Brei herum, Fitch«, sagte Luther Vandemeer von Trellco. »Ist es Ihnen endlich einmal gelungen, ein Urteil zu kaufen?«
    Fitch versuchte nicht, diese vier Männer anzulügen. Schließlich waren sie seine Arbeitgeber. Er erzählte ihnen nie die ganze Wahrheit, und das erwarteten sie auch nicht von ihm. Aber wenn man ihm eine direkte Frage stellte, besonders eine in dieser Größenordnung, dann fühlte er sich bis zu einem gewissen Grade zur Ehrlichkeit gezwungen. »Etwas in der Art«, sagte er.
    »Haben Sie die Stimmen, Fitch?« fragte ein anderer Generaldirektor.
    Fitch schwieg und betrachtete die vier Männer, einen nach dem anderen, auch Jankle, der plötzlich zuhörte. ›Ja, ich glaube, ich habe sie«, sagte Fitch.
    Jankle sprang auf, etwas unsicher auf den Beinen, aber doch relativ konzentriert, und trat in die Mitte des Zimmers. »Sagen Sie das noch einmal, Fitch«, verlangte er.
    »Sie haben es gehört«, sagte Fitch. »Das Urteil ist gekauft.« Er versuchte vergeblich, einen Anflug von Stolz in seiner Stimme zu unterdrücken.
    Die anderen drei standen gleichfalls auf. Alle vier kamen auf Fitch zu und bildeten einen lockeren Halbkreis um ihn herum. »Wie?« fragte einer von ihnen.
    »Das werden Sie nie erfahren«, sagte Fitch gelassen. »Die Details sind unwichtig.«
    »Ich will es wissen«, sagte Jankle.
    »Vergessen Sie's. Es gehört zu meinem Job, daß ich die Schmutzarbeit erledige und gleichzeitig Sie und Ihre Konzerne schütze.

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