Das Urteil
Sonntag abend; kein Football und Bier im Partyzimmer, kein Schachturnier. Marlee und Nicholas aßen Pizza in seinem Zimmer. Sie gingen ihre Checkliste durch und machten letzte Pläne. Beide waren nervös und angespannt und brachten kaum ein Lachen zustande, als sie ihm Fitchs traurige Geschichte von Hoppy erzählte.
Marlee ging um neun. Sie fuhr mit ihrem Mietwagen zu ihrer kleinen Wohnung, wo sie ebenfalls packte.
Nicholas ging über den Flur in das Zimmer, in dem Hoppy und Millie wie zwei Flitterwöchner warteten. Sie konnten ihm gar nicht genug danken. Er hatte diesen schrecklichen Betrug aufgedeckt und ihnen ihre Freiheit wiedergegeben. Es war bestürzend, sich vorzustellen, wie weit die Tabakindustrie ging, nur um Druck auf eine einzige Geschworene auszuüben.
Millie machte sich Gedanken, ob sie in der Jury bleiben sollte. Sie und Hoppy hatten bereits darüber gesprochen, und sie hatte das Gefühl, in Anbetracht dessen, was sie ihrem Mann angetan hatten, nicht mehr fair und unparteiisch sein zu können. Nicholas hatte das vorhergesehen, aber er war der Ansicht, daß er Millie brauchte.
Und es gab einen noch zwingenderen Grund. Wenn Millie Richter Harkin von dem Hoppy-Coup berichtete, dann würde er das Verfahren vermutlich für gescheitert erklären. Und das wäre eine Tragödie, denn es würde bedeuten, daß in ein oder zwei Jahren eine neue Jury ausgewählt und der Fall noch einmal verhandelt werden mußte. Jede Seite würde ein weiteres Vermögen ausgeben, um das zu tun, was sie im Augenblick tat. »Es liegt bei uns, Millie. Wir sind dazu auserwählt worden, über diesen Fall zu entscheiden, und wir müssen zu einem Urteil gelangen. Die nächste Jury wird bestimmt nicht klüger sein als wir.«
»Ganz meine Meinung«, sagte Hoppy. »Dieser Prozeß wird morgen zu Ende sein. Es wäre eine Schande, wenn er in letzter Minute für gescheitert erklärt werden müßte.«
Also biß sich Millie auf die Unterlippe und fand zu neuer Entschlossenheit. Ihr Freund Nicholas machte alles leichter.
Cleve traf sich am Sonntag abend mit Derrick in der Sportbar des Nugget Casinos. Sie tranken ein Bier, sahen sich ein Footballspiel an, redeten aber nur wenig. Derrick schmollte und versuchte, wütend auszusehen, weil er glaubte, hereingelegt worden zu sein. Die fünfzehntausend Dollar steckten in einem braunen Päckchen, das Cleve Derrick über den Tisch zuschob, Derrick nahm es an sich und steckte es in eine Tasche, ohne danke oder sonst etwas zu sagen. Ihrer neuesten Abmachung zufolge würden die restlichen zehntausend nach dem Urteil gezahlt werden, vorausgesetzt natürlich, daß Angel für die Klägerin stimmte.
»Weshalb verschwinden Sie nicht?« fragte Derrick ein paar Minuten, nachdem das Geld in der Nähe seines Herzens gelandet war.
»Gute Idee«, sagte Cleve. »Besuchen Sie Ihre Freundin.
Erklären Sie ihr alles ganz genau.«
»Die habe ich im Griff.«
Cleve nahm seine Bierflasche mit und verschwand.
Derrick leerte sein Glas und rannte in die Herrentoilette, wo er sich in einer Kabine einschloß und das Geld zählte, hundertfünfzig frische, neue, ordentlich zusammengepackte Hundert-Dollar-Scheine. Er drückte den Stapel zusammen und war verblüfft über seine Dicke - fast zwei Zentimeter. Er teilte das Geld in vier Teile und stopfte in jede Tasche seiner Jeans ein zusammengerolltes Bündel.
Im Kasino herrschte Hochbetrieb. Von einem älteren Bruder, der in der Armee gewesen war, hatte er gelernt, wie man würfelt, und jetzt wanderte er, wie von einem Magneten angezogen, in die Nähe der Crap-Tische. Er schaute eine Minute zu und beschloß dann, der Versuchung zu widerstehen und Angel zu besuchen. Für ein schnelles Bier machte er noch an einer kleinen Bar Station, von der aus man die Spieltische überblicken konnte. Überall unter ihm wurden Vermögen gewonnen und verloren. Man brauchte Geld, um Geld machen zu können. Dies war sein Glücksabend.
An einem der Crap-Tische kaufte er für tausend Dollar Chips und genoß die Aufmerksamkeit, die Leute mit Geld auf sich ziehen. Der Aufseher prüfte die ungebrauchten Scheine, dann lächelte er Derrick an. Aus dem Nirgendwo tauchte eine blonde Kellnerin auf, und er bestellte ein weiteres Bier.
Derrick setzte viel, mehr als irgendein Weißer am Tisch. Der erste Haufen Chips verschwand im Laufe von fünfzehn Minuten, und er zögerte keine Sekunde, bevor er weitere tausend Dollar eintauschte.
Wenig später folgten noch einmal tausend, dann fielen die Würfel, wie
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