Das Urteil
parat.
Herrera legte die Zeitung langsam auf den Tisch und trank einen großen Schluck schwarzen Kaffee. »Nein, ich meine, die Leute sollten genügend Verstand haben, um nicht dreißig Jahre lang drei Schachteln pro Tag zu rauchen. Was zum Teufel erwarten sie denn? Vollkommene Gesundheit?« Sein Ton war sarkastisch, und er ließ keinen Zweifel daran, daß er sein Geschworenenamt mit einer vorgefaßten Meinung übernommen hatte.
»Seit wann sind Sie davon überzeugt?«
»Sind Sie blöd? Das kann sich doch jeder leicht ausrechnen.« »Das ist vielleicht Ihre Ansicht. Aber Sie hätten sie während des voir dire äußern müssen.«
»Was ist voir dire?«
»Die Auswahl der Geschworenen. Wir sind zu genau diesen Dingen befragt worden. Ich kann mich nicht erinnern, daß Sie auch nur ein Wort gesagt hätten.«
»Habe ich nicht für nötig gehalten.«
»Hätten Sie aber tun müssen.«
Herreras Gesicht lief rot an, aber er zögerte eine Sekunde. Dieser Easter kannte sich schließlich mit den Gesetzen aus, zumindest wußte er mehr als die anderen Geschworenen. Vielleicht hatte er etwas Unrechtes getan. Vielleicht verfügte Easter über eine Möglichkeit, das zu melden und dafür zu sorgen, daß er aus der Jury ausgestoßen wurde. Vielleicht würde er der Mißachtung des Gerichts angeklagt und ins Gefängnis gesteckt werden oder eine Geldstrafe berappen müssen.
Und dann kam ihm ein anderer Gedanke. Es war ihnen verboten, über den Fall zu reden, richtig? Wie konnte Easter dann dem Richter irgend etwas melden? Wenn Easter losging und irgend etwas wiederholte, das er im Geschworenenzimmer gehört hatte, würde er riskieren, selbst in Schwierigkeiten zu geraten. Herrera entspannte sich ein wenig. »Lassen Sie mich raten. Sie sind auf ein hartes Urteil aus, mit einer horrenden Geldstrafe und allem, was dazugehört.«
»Nein, Mr. Herrera. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich keine vorgefaßte Meinung. Wir haben bisher erst drei Zeugen gehört, alle für die Anklage, also stehen uns noch viele weitere bevor. Ich werde warten, bis das gesamte Beweismaterial vorliegt, von beiden Seiten, und erst dann versuchen, mir eine Meinung zu bilden. Ich denke, das ist genau das, was wir zu tun versprochen haben.«
»Ja, also, ich auch. Ich bin nicht unbelehrbar.« Er interessierte sich plötzlich für den Leitartikel. Die Tür flog auf, und Mr. Herman Grimes erschien, mit seinem Blindenstock vor sich hertappend. Lou Dell und Mrs. Grimes folgten ihm. Nicholas stand wie üblich auf, um seinem Obmann Kaffee einzugießen, mittlerweile ein Ritual.
Fitch starrte bis neun seine Telefone an. Sie hatte einen möglichen Anruf für heute angekündigt.
Sie trieb nicht nur ihre Spielchen, sie war offensichtlich auch nicht über Lügen erhaben. Er hatte keinerlei Verlangen danach, wieder angestarrt zu werden, also verschloß er seine Tür und ging in den Vorführraum, wo zwei seiner Jury-Experten im Dunkeln saßen, ein verzerrtes Bild auf der Wand betrachteten und darauf warteten, daß die Kamera zurechtgerückt wurde. Jemand war mit dem Fuß gegen McAdoos Aktenkoffer gestoßen, und die Kamera war um drei Meter verstellt. Die Geschworenen eins, zwei, sieben und acht waren nicht im Bild, und von Millie Dupree und Rikki Coleman hinter ihr war nur eine Hälfte zu sehen.
Die Geschworenen waren vor zwei Minuten hereingekommen, und deshalb konnte McAdoo seinen Platz nicht verlassen und das Handy benutzen. Er wußte nicht, daß irgendein großer Fuß unter dem Tisch gegen den Aktenkoffer getreten hatte. Fitch fluchte die Leinwand an, dann schrieb er ein paar Worte auf einen Zettel und gab ihn einem unauffällig gekleideten Botenjungen, der die Straße entlangrannte, den Gerichtssaal betrat wie einer der hundert jungen Anwälte und Anwaltsgehilfen und den Zettel am Tisch der Verteidigung abgab.
Die Kamera ruckte nach links, und die gesamte Jury kam ins Blickfeld. McAdoo stieß ein bißchen zu heftig und schnitt die Hälfte von Jerry Fernandez und Angel Weese, Geschworene Nummer sechs, ab. Fitch fluchte abermals. Er würde bis zur ersten Unterbrechung warten und dann McAdoo anrufen.
Dr. Bronsky war ausgeruht und bereit für einen weiteren Tag bedächtigen Referierens über die durch Tabakrauch bewirkten Verheerungen. Nachdem er sich über die in Tabakrauch enthaltenen Karzinogene und das Nikotin ausgelassen hatte, ging er jetzt zur nächsten Gruppe von medizinisch relevanten Verbindungen über: den Reizstoffen.
Rohr spielte ihm die dicken Bälle zu, Bronsky
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