Das Urteil
halten, und die Geschworenen verloren ihren Kampf um Konzentration. Die detaillierten und offensichtlich teuren Tafeln und Tabellen verschwammen ebenso wie die Körperteile, die chemischen Verbindungen und die Gifte. Es bedurfte nicht der Ansichten der gründlich ausgebildeten und überaus teuren Jury-Berater, um festzustellen, daß die Geschworenen gelangweilt waren und daß Rohr etwas tat, dem Prozeßanwälte einfach nicht widerstehen können - er übertrieb.
Seine Ehren vertagte zeitig, schon um vier Uhr, mit der Begründung, daß er zwei Stunden brauche, um über ein paar Anträge und andere Dinge zu entscheiden, für die die Geschworenen nicht benötigt würden. Er entließ sie mit denselben strengen Warnungen und Ermahnungen, die sie jetzt bereits auswendig kannten und kaum noch hörten. Sie waren glücklich, entkommen zu können.
Lonnie Shaver freute sich ganz besonders über die frühe Entlassung. Er fuhr geradewegs zu seinem zehn Minuten entfernten Supermarkt, parkte auf dem für ihn reservierten Platz hinter dem Gebäude und betrat es dann schnell durch das Lager, insgeheim hoffend, einen faulen Packer neben dem Salat schlafend vorzufinden. Sein Büro befand sich im ersten Stock über den Milch- und Fleischprodukten, und durch einen Scheinspiegel hindurch konnte er fast den gesamten Laden überblicken.
Lonnie war der einzige schwarze Geschäftsführer in einer Kette mit siebzehn Läden. Er verdiente vierzigtausend Dollar im Jahr, zuzüglich Krankenversicherung und Anwartschaft auf eine durchschnittliche Rente, und sollte in drei Monaten eine Gehaltserhöhung erhalten. Außerdem hatte man ihm zu verstehen gegeben, daß seine Beförderung zum Bezirksleiter bevorstand, sofern er bei seiner Tätigkeit als Geschäftsführer zufriedenstellende Resultate erzielte. Der Firma lag viel daran, einen Schwarzen zu befördern, aber natürlich war keine dieser Versprechungen schriftlich niedergelegt worden.
Sein Büro war ständig offen, und gewöhnlich hielt sich einer von seinem halben Dutzend Untergebenen darin auf. Ein stellvertretender Geschäftsführer begrüßte ihn und deutete dann mit einem Nicken auf eine Tür. »Wir haben Besuch«, sagte er finster.
Lonnie zögerte und betrachtete die geschlossene Tür zu einem großen Raum, der für alles mögliche benutzt wurde - Geburtstagsfeiern, Personalversammlungen, Besuche von Bossen. »Wer ist es?« fragte er.
»Zentrale. Sie möchten mit Ihnen reden.«
Lonnie klopfte an und trat fast gleichzeitig ein. Schließlich befand er sich in seinem eigenen Büro. Drei Männer mit bis zu den Ellenbogen hochgekrempelten Hemdsärmeln saßen an einem Ende des Tisches, umgeben von einem Stapel Papieren und Ausdrucken. Sie erhoben sich.
»Lonnie, schön, Sie zu sehen«, sagte Troy Hadley, Sohn von einem der Besitzer und das einzige Gesicht im Raum, das Lonnie bekannt war. Sie gaben sich die Hand, und Hadley stellte hastig die beiden anderen Männer vor. Sie hießen Ken und Ben, an ihre Nachnamen sollte sich Lonnie erst wesentlich später erinnern. Es war geplant, daß Lonnie am Kopfende des Tisches sitzen sollte, auf dem Stuhl, den der junge Hadley eiligst für ihn freigemacht hatte, mit Ken an der einen und Ben an der anderen Seite.
Troy begann die Unterhaltung, und er machte einen etwas nervösen Eindruck. »Wie fühlt man sich so als Geschworener?«
»Lausig.«
»Kann ich mir vorstellen. Hören Sie, Lonnie, der Grund, weshalb wir hier sind - Ken und Ben kommen von einer Firma, die Super-House heißt, einer großen Kette, die von Charlotte aus operiert, und mein Dad und mein Onkel haben aus einer ganzen Reihe von Gründen beschlossen, an Super-House zu verkaufen. Die gesamte Kette. Alle siebzehn Filialen und die drei Lagerhäuser.«
Lonnie bemerkte, daß Ken und Ben beobachteten, wie er atmete, also nahm er die Neuigkeit mit unbewegtem Gesicht hin und brachte sogar ein leichtes Achselzucken zustande, als wollte er sagen: »Na und?« Trotzdem fiel ihm das Schlucken schwer. »Weshalb?« brachte er heraus.
»Dafür gibt es massenhaft Gründe, aber ich werde Ihnen die beiden wichtigsten nennen. Mein Dad ist achtundsechzig, und Al hat, wie Sie wissen, gerade eine Operation hinter sich. Das ist der eine Hauptgrund. Der zweite ist, daß Super-House einen sehr anständigen Preis bietet.« Er rieb sich die Hände, als könnte er es kaum abwarten, das frische Geld auszugeben. »Es ist schlicht und einfach so, daß es Zeit für einen Verkauf ist, Lonnie.«
»Ich bin überrascht.
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