Das Urteil
massige Gestalt von Rankin Fitch. Von der Geschworenenbank aus befand sich Fitch in derselben Blickrichtung wie Ginger, und aus fünfzehn Meter Entfernung ließ sich unmöglich genau sagen, wen die Geschworenen anstarrten - Ginger oder Fitch.
Ginger dachte offensichtlich, daß sie es war. Sie fand ein paar Notizen, mit denen sie sich beschäftigen konnte, während ihr Kollege ein Stück von ihr abrückte.
Fitch kam sich nackt vor, als die zwölf Gesichter ihn von der Geschworenenbank aus musterten. Über seinen Augenbrauen brachen kleine Schweißperlen aus. Der Richter stellte weitere Fragen. Ein paar Anwälte drehten die Köpfe, um hinter sich zu schauen.
»Weiterstarren«, sagte Nicholas leise, ohne die Lippen zu bewegen.
Wendall Rohr warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, wer da hinten saß. Ginger interessierte sich plötzlich für ihre Schnürsenkel. Sie starrten weiter.
Es war noch nie vorgekommen, daß ein Richter die Jury zu mehr Aufmerksamkeit ermahnte. Richter Harkin war ein paarmal dazu versucht gewesen, aber da war es gewöhnlich ein Geschworener gewesen, den eine Zeugenaussage so langweilte, daß er eingeschlafen war und schnarchte. Und so hetzte er durch den Rest seiner Beeinflussungsfragen und sagte dann laut: »Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. Und jetzt fahren wir mit Dr. Milton Fricke fort.«
Ginger mußte plötzlich auf die Toilette, und sie eilte aus dem Saal, während Dr. Fricke durch eine Seitentür kam und seinen Platz im Zeugenstand einnahm.
Cable hatte im Kreuzverhör nur einige wenige Fragen, erklärte er höflich und mit großer Ehrerbietung gegenüber Dr. Fricke. Er hatte nicht vor, mit einem Wissenschaftler über Wissenschaft zu diskutieren, hoffte aber, bei den Geschworenen ein paar kleine Pluspunkte zu erzielen. Fricke gab zu, daß nicht alle Schäden an Mr. Woods Lungen auf das Rauchen von Bristols im Verlauf von mehr als dreißig Jahren zurückgeführt werden konnten. Jacob Wood hatte viele Jahre lang in einem Büro mit anderen Rauchern zusammengearbeitet, und ja, es stimmte, daß ein Teil der Verheerungen in seinen Lungen auf das Passivrauchen zurückzuführen war. »Aber es war dennoch Zigarettenrauch«, erinnerte Dr. Fricke Cable, der ihm bereitwillig beipflichtete.
Und was ist mit der Luftverschmutzung? Ist es möglich, daß das Einatmen von verschmutzter Luft zum Zustand der Lungen beigetragen hat? Dr. Fricke gab zu, daß das durchaus im Bereich des Möglichen lag.
Cable stellte eine gefährliche Frage, und er kam damit durch. »Dr. Fricke, wenn Sie all die möglichen Ursachen in Betracht ziehen - aktives Rauchen, passives Rauchen, Luftverschmutzung und eventuelle andere, die wir nicht erwähnt haben - sind Sie dann imstande, uns zu sagen, ein wie großer Teil der Lungenschädigung auf das Rauchen von Bristols zurückzuführen ist?«
Dr. Fricke dachte einen Moment konzentriert nach, dann sagte er: »Der größte Teil der Schädigung.«
»Wieviel - sechzig Prozent, achtzig Prozent? Ist es einem Mediziner wie Ihnen möglich, eine halbwegs genaue Prozentzahl zu nennen?«
Es war nicht möglich, und Cable wußte das. Er hatte zwei Sachverständige, die den Gegenbeweis liefern würden, falls Dr. Fricke seine Grenzen überschritt und zuviel spekulierte.
»Tut mir leid, aber das kann ich nicht«, sagte Fricke.
»Danke. Eine letzte Frage, Doktor. Wieviel Prozent der Raucher leiden unter Lungenkrebs?«
»Das hängt davon ab, welcher Untersuchung man glaubt.«
»Sie wissen es nicht?«
»Ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung.«
»Dann beantworten Sie die Frage.«
»Ungefähr zehn Prozent.«
»Keine weiteren Fragen.«
»Dr. Fricke, Sie sind entlassen«, sagte Seine Ehren. »Mr. Rohr, rufen Sie Ihren nächsten Zeugen auf.«
»Dr. Robert Bronsky.«
Als die Zeugen vor der Geschworenenbank aneinander vorbeigingen, kehrte Ginger in den Saal zurück und ließ sich in der hintersten Reihe nieder, so weit weg von den Geschworenen, wie es überhaupt möglich war. Fitch nutzte die kurze Unterbrechung, um zu verschwinden. Auf dem Vorplatz gesellte sich José zu ihm, und sie eilten aus dem Gericht und zurück in ihren Billigladen.
Auch Bronsky war ein hochqualifizierter Mediziner, der fast ebenso viele akademische Grade und Publikationen aufzuweisen hatte wie Fricke. Die beiden kannten einander gut, weil sie am Forschungszentrum in Rochester zusammenarbeiteten. Rohr bereitete es großes Vergnügen, Bronsky durch seinen wundervollen Werdegang
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