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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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hindurchzugeleiten. Nachdem er als Sachverständiger anerkannt worden war, stürzten sie sich in die klinischen Grundlagen:
    Tabakrauch ist ein extrem komplexes Gebilde, mit mehr als viertausend identifizierten Bestandteilen. Zu diesen mehr als viertausend Bestandteilen gehören sechzehn bekannte Karzinogene, vierzehn Alkalien und zahlreiche weitere Verbindungen mit bekannten biologischen Wirkungen. Tabakrauch ist eine Mischung aus Gasen in winzigen Tröpfchen, und wenn er inhaliert wird, bleiben ungefähr fünfzig Prozent des inhalierten Rauchs in den Lungen zurück, und einige der Tröpfchen lagern sich an den Wänden der Bronchien ab.
    Zwei Anwälte aus Rohrs Team stellten rasch in der Mitte des Gerichtssaals ein großes Stativ auf, und Dr. Bronsky verließ den Zeugenstand, um ein bißchen zu demonstrieren. Die erste Tabelle war eine Liste sämtlicher in Tabakrauch enthaltenen Verbindungen. Er benannte sie nicht alle, aber das brauchte er auch nicht. Jede der Bezeichnungen klang bedrohlich, und zusammengenommen wirkten sie regelrecht tödlich.
    Die nächste Tabelle war eine Liste der bekannten Karzinogene, und Bronsky hielt über jedes von ihnen einen kurzen Vortrag. Zusätzlich zu diesen sechzehn, sagte er und schlug dabei mit dem Zeigestock immer wieder leicht in seine linke Handfläche, sind in Tabakrauch möglicherweise noch weitere, bisher unentdeckte krebserregende Verbindungen enthalten. Und es ist durchaus denkbar, daß zwei oder mehr von ihnen zusammenwirken und die krebserregende Wirkung der anderen verstärken.
    Sie ritten den ganzen Vormittag auf den Karzinogenen herum. Bei jeder neuen Tabelle fühlten sich Jerry Fernandez und die anderen Raucher elender, und als sie zum Lunch die Geschworenenbank verließen, war Sylvia, dem Pudel, fast schwindlig. Wie kaum anders zu erwarten, verschwanden die vier erst einmal auf ein paar Züge im ›Raucherloch‹, wie Lou Dell es nannte, bevor sie sich zum Essen zu den anderen gesellten.
    Der Lunch stand bereit, und offenbar waren die Falten herausgebügelt worden. Der Tisch war mit Porzellan gedeckt, und der Eistee wurde in echte Gläser ausgeschenkt. Mr. O'Reilly servierte denjenigen, die sie bestellt hatten, speziell zubereitete Sandwiches und öffnete für die anderen Behälter mit dampfendem Gemüse und Pasta. Nicholas sparte nicht mit Komplimenten.
    Fitch saß mit zwei seiner Jury-Berater im Vorführraum, als der Anruf kam. Konrad klopfte nervös an die Tür. Es war streng verboten, sich dem Raum ohne ausdrückliche Anweisung von Fitch zu nähern.
    »Es ist Marlee, Leitung vier«, flüsterte Konrad, und Fitch erstarrte für eine Sekunde. Dann eilte er einen improvisierten Korridor entlang in sein Büro.
    »Zurückverfolgen«, befahl er.
    »Wir sind schon dabei.«
    »Ich bin sicher, daß sie von einem Münzfernsprecher aus anruft.«
    Fitch drückte auf Knopf vier an seinem Apparat und sagte: »Hallo.«
    »Mr. Fitch?« kam die vertraute Stimme.
    »Ja.«
    »Wissen Sie, weshalb sie Sie angestarrt haben?«
    »Nein.«
    »Ich werde es Ihnen morgen sagen.«
    »Sagen Sie es mir gleich.«
    »Nein. Weil Sie den Anruf zurückverfolgen lassen. Und wenn Sie nicht damit aufhören, rufe ich nicht mehr an.«
    »Okay. Ich werde es lassen.«
    »Und das soll ich Ihnen glauben?«
    »Was wollen Sie?«
    »Später, Fitch.« Sie legte auf. Fitch spielte das Gespräch ab, während er darauf wartete, daß ihr Apparat lokalisiert wurde. Konrad erschien mit der erwarteten Meldung, daß es in der Tat ein Münzfernsprecher gewesen war, diesmal einer in einem Einkaufszentrum in Gautier, eine halbe Stunde Fahrt entfernt.
    Fitch ließ sich in einen großen, gemieteten Drehsessel fallen und betrachtete einen Augenblick lang die Wand. »Sie war heute morgen nicht im Gerichtssaal«, sagte er, laut nachdenkend, und zupfte an seinem Spitzbart. »Also woher hat sie gewußt, daß sie mich angestarrt haben?«
    »Wer hat Sie angestarrt?« fragte Konrad. Wachdienst im Gerichtssaal gehörte nicht zu seinen Pflichten. Er verließ den Billigladen niemals. Fitch beschrieb ihm, wie er von den Geschworenen aus völlig unerklärlichen Gründen angestarrt worden war.
    »Also wer redet mit ihr?« fragte Konrad. »Genau das ist die Frage.«
    Der Nachmittag wurde mit Nikotin verbracht. Von halb zwei bis drei und dann von halb vier bis zur Vertagung um fünf erfuhren die Geschworenen mehr über Nikotin, als ihnen lieb war. Es ist ein im Tabakrauch enthaltenes Gift. Jede Zigarette enthält zwischen ein und drei

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