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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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schauten sie zur Wand links von ihm, hinter dem Zeugenstand, und legten die Hand aufs Herz. Easter machte als erster den Mund auf und steuerte sie in eine kraftvolle Deklamation des Treuegelöbnisses.
    Harkin reagierte zunächst absolut fassungslos; eine derartige Zeremonie hatte er noch nie erlebt, jedenfalls nicht in einem Gerichtssaal, nicht durch eine Gruppe von Geschworenen. Er hatte nicht einmal gehört, daß so etwas geschehen war, obwohl er glaubte, inzwischen alles gesehen und gehört zu haben. Es gehörte nicht zum täglichen Ritual, war nicht von ihm genehmigt worden, wurde in keinem Handbuch erwähnt. Und deshalb war sein erster Impuls, nach dem ersten Schock, sie aufzufordern, damit aufzuhören und sich hinzusetzen; und sie würden später darüber reden. Dann wurde ihm schlagartig klar, daß es furchtbar unpatriotisch und vielleicht schändlich wäre, eine Gruppe von wohlmeinenden Bürgern zu unterbrechen, die sich einen Moment Zeit ließen, um die Fahne der Vereinigten Staaten zu ehren. Er warf einen Blick auf Rohr und Cable und sah nichts als offene Münder und schlaffe Unterkiefer.
    Also stand er auf. Ungefähr in der Mitte des Gelöbnisses rückte er nach vorn und erhob sich, umwallt von seiner schwarzen Robe, wendete sich der Wand zu, legte die Hand aufs Herz und stimmte in die Deklamation ein.
    Jetzt, wo sowohl die Geschworenen als auch der Richter die Stars and Stripes ehrten, hatten plötzlich alle das Gefühl, dasselbe tun zu müssen, besonders die Anwälte, die es sich nicht leisten konnten, womöglich in Ungnade zu fallen oder auch nur eine Spur von Illoyalität zu zeigen. Sie sprangen auf, stießen Stühle zurück und kippten Aktenkoffer um. Auch Gloria Lane und ihre Mitarbeiterinnen, die Protokollantin und Lou Dell, die in der ersten Reihe saß, standen auf, wendeten sich der Fahne zu und stimmten ein. Aber irgendwo jenseits der dritten Reihe verlor die Inbrunst an Schwung, und deshalb blieb Fitch glücklicherweise davon verschont, aufstehen und wie ein Pfadfinder Worte murmeln zu müssen, an die er sich kaum erinnerte.
    Er saß in der hintersten Reihe, flankiert von José und Holly, einem gutaussehenden jungen Anwalt. Pang war draußen in der Vorhalle. Doyle saß wieder in Arbeitsmontur auf seiner Kiste neben den Getränkeautomaten im Erdgeschoß, unterhielt sich mit den Hausmeistern und beobachtete die Eingangshalle.
    Fitch war völlig fassungslos. Der Anblick einer Jury, die aus eigenem Antrieb und als Gruppe agierend, auf diese Weise die Kontrolle über den Gerichtssaal an sich riß, war einfach unglaublich. Und daß Marlee gewußt hatte, daß dies geschehen würde, war schlichtweg bestürzend.
    Die Tatsache aber, daß sie ihr Spiel damit trieb, war erheiternd.
    Immerhin hatte Fitch eine Ahnung gehabt, was kommen würde. Wendall Rohr dagegen fühlte sich völlig überrumpelt. Er war so fassungslos über den Anblick von Easter, der genauso gekleidet war wie angekündigt, tatsächlich die angegebene Zeitschrift bei sich hatte, sie unter seinem Sitz deponierte und dann seine Mitgeschworenen bei dem Gelöbnis anführte, daß er die restlichen Worte nur noch mit dem Mund formen konnte. Und er tat es, ohne die Fahne anzuschauen. Er starrte die Geschworenen an, vor allem Easter, und fragte sich, was zum Teufel da vor sich ging.
    Als die letzten Worte »…und Gerechtigkeit für alle« zur Decke emporgehallt waren, ließen die Geschworenen sich auf ihren Plätzen nieder, und die ganze Gruppe ließ den Blick im Saal herumwandern, um zu sehen, wie die Leute reagiert hatten. Richter Harkin zog seine Robe zurecht und hantierte gleichzeitig mit irgendwelchen Papieren; er schien entschlossen, so zu tun, als würde ein solches Verhalten von allen Geschworenen erwartet. Was hätte er sagen können? Es hatte dreißig Sekunden gedauert.
    Die meisten Anwälte waren von dieser albernen Zurschaustellung von Patriotismus peinlich berührt, aber wenn es die Geschworenen glücklich machte, dann machte es eben auch sie glücklich. Nur Wendall Rohr starrte, offensichtlich sprachlos, weiter die Geschworenen an. Ein Mitarbeiter stieß ihn an, und sie begannen eine geflüsterte Unterhaltung, während Seine Ehren durch die Standardbemerkungen und Fragen an die Geschworenen eilte.
    »Ich denke, jetzt können wir den nächsten Zeugen hören«, sagte der Richter, eifrig darauf bedacht, voranzukommen.
    Rohr stand immer noch ein wenig benommen auf und sagte: »Die Anklage ruft Dr. Hilo Kilvan auf.«
    Während der

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