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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Tür steckte und sagte: »Mr. Easter, würden Sie bitte einen Moment herauskommen?«
    Nicholas folgte Willis durch ein Labyrinth aus engen Korridoren, bis sie vor der Nebentür zu Harkins Amtszimmer angelangt waren. Der Richter war allein, ohne Robe, mit einem Becher Kaffee in der Hand. Er entließ Willis und schloß die Tür. »Bitte, nehmen Sie Platz, Mr. Easter«, sagte er und deutete auf einen Stuhl auf der anderen Seite seines vollgepackten Schreibtisches. Der Raum war nicht sein reguläres Amtszimmer, sondern eines, das er mit zwei anderen, den gleichen Gerichtssaal benutzenden Richtern teilte. »Kaffee?«
    »Nein, danke.«
    Harkin ließ sich auf seinen Stuhl sinken und lehnte sich auf den Ellenbogen vor. »Und nun erzählen Sie mir, wo Sie diesen Mann gesehen haben.«
    Nicholas wollte das Video für einen entscheidenderen Moment aufsparen. Er hatte sich die nächste Geschichte bereits sorgfaltig ausgedacht. »Gestern, nach der Vertagung. Ich war auf dem Heimweg zu meiner Wohnung und habe mir bei Mike's an der Ecke ein Eis geholt. Als ich drinnen im Laden war, habe ich einen Blick auf den Gehsteig geworfen, und da habe ich gesehen, wie dieser Mann hereinschaute. Er hat mich nicht bemerkt, aber mir wurde klar, daß ich ihn schon einmal gesehen hatte. Ich kaufte das Eis und machte mich auf den Heimweg. Ich vermutete, daß der Mann mir folgen würde, also paßte ich genau auf und machte ein paar Umwege, und dabei habe ich festgestellt, daß er mich tatsächlich beschattete.«
    »Und Sie hatten ihn davor schon einmal gesehen?« »Ja, Sir. Ich arbeite in einem Computerladen im Einkaufszentrum, und eines Abends ging dieser Mann, derselbe Mann, da bin ich ganz sicher, vorbei und schaute herein. Später machte ich eine Pause, und er tauchte am anderen Ende des Einkaufszentrums auf, wo ich gerade eine Cola trank.«
    Der Richter entspannte sich ein wenig und strich sich übers Haar. »Bitte, seien Sie ehrlich, Mr. Easter. Hat sonst noch einer Ihrer Kollegen irgend etwas dergleichen erwähnt?«
    »Nein, Sir.«
    »Werden Sie mich informieren, wenn sie es tun?«
    »Natürlich.«
    »Es ist nichts Unrechtes an dieser kleinen Unterhaltung, die wir hier führen, und wenn Sie in Ihrem Zimmer irgend etwas erfahren, muß ich es wissen.«
    »Wie setze ich mich mit Ihnen in Verbindung?«
    »Schicken Sie mir durch Lou Dell eine Nachricht. Sagen Sie nur, wir müßten miteinander reden, aber ohne Angabe von Gründen, weil sie sie bestimmt lesen wird.«
    »Okay.«
    »Abgemacht?«
    »Abgemacht.«
    Harkin holte tief Luft und wühlte in einem offenstehenden Aktenkoffer. Er fand eine Zeitschrift und schob sie über den Schreibtisch. »Haben Sie das schon gesehen? Es ist das Wall Street Journal von heute.«
    »Nein, das lese ich nicht.«
    »Gut. Es enthält eine große Story über diesen Prozeß und die Auswirkungen, die ein Urteil zugunsten der Anklage auf die Tabakindustrie haben könnte.«
    Nicholas konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. »Es gibt nur eine Person, die das Wall Street Journal liest.«
    »Und wer ist das?«
    »Frank Herrera. Er hat es heute morgen gelesen, von der ersten bis zur letzten Seite.«
    »Heute morgen?«
    »Ja. Während wir gewartet haben, hat er jedes Wort zweimal gelesen.«
    »Hat er irgendwelche Bemerkungen darüber gemacht?«
    »Nicht, daß ich wüßte.«
    »Verdammt.«
    »Aber das spielt ohnehin keine Rolle«, sagte Nicholas, eine Wand betrachtend.
    »Weshalb nicht?«
    »Seine Meinung steht fest.«
    Harkin lehnte sich vor und musterte Nicholas eindringlich. »Was meinen Sie damit?«
    »Meiner Ansicht nach hätte er überhaupt nicht Geschworener sein dürfen. Ich weiß nicht, wie er die schriftlichen Fragen beantwortet hat, aber er kann nicht die Wahrheit gesagt haben, sonst wäre er nicht hier. Und ich erinnere mich ganz genau an Fragen während des voir dire, auf die er hätte reagieren müssen.«
    »Ich höre.«
    »Okay, Euer Ehren, aber werden Sie nicht wütend. Ich habe mich gestern am frühen Morgen mit ihm unterhalten. Außer uns war niemand im Geschworenenzimmer, und ich schwöre, daß wir nicht direkt über diesen Fall gesprochen haben. Aber irgendwie kamen wir auf Zigaretten, und Frank hat vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört und hat keinerlei Sympathien für jemanden, der nicht aufhören kann. Er ist Militär im Ruhestand, wie Sie wissen, ziemlich steif und streng, was…«
    »Ich war früher bei der Marine-Infanterie.«
    »Tut mir leid. Soll ich den Mund halten?«
    »Nein. Machen Sie

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