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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Geschworenen die nächste Reihe von Tafeln und Tabellen zu zeigen. Die Zahlen türmten sich zu Bergen und begannen zu verschwimmen.
    Loreen Duke war die erste, die den Mut aufbrachte, ihren Teller vom Tisch zu nehmen und sich damit in eine Ecke zurückzuziehen, wo sie ihn auf den Knien balancierte und allein aß. Weil der Lunch jeden Morgen um neun nach der Speisekarte bestellt wurde und weil Lou Dell, der Deputy Willis, die Angestellten von O'Reilly's und alle anderen am Servieren des Essens Beteiligten entschlossen waren, alles Punkt zwölf auf dem Tisch zu haben, war eine gewisse Ordnung unerläßlich. Ein Sitzplan wurde aufgestellt. Loreens Stuhl stand genau gegenüber von dem von Stella Hulic, die mit vollem Mund redete, schmatzend und mit großen Brotbrocken zwischen den Zähnen. Stella war eine schlecht gekleidete gesellschaftliche Aufsteigerin, die den größten Teil der Prozeßpausen damit verbrachte, die anderen elf davon zu überzeugen, daß sie und ihr Mann, ein ehemaliger leitender Angestellter einer Klempnerei, mehr besaßen als alle anderen. Cal hatte ein Hotel, und Cal hatte ein Mietshaus, und Cal hatte eine Autowaschanlage. Er besaß noch weitere Anlagen, von denen die meisten zusammen mit den Essensbrocken aus ihrem Mund vor den anderen ausgebreitet wurden. Sie machten Ausflüge, waren ständig auf Reisen. Griechenland liebten sie besonders. Cal hatte ein Flugzeug und mehrere Boote.
    Einer an der Küste weit verbreiteten Überzeugung zufolge hatte Cal ein paar Jahre zuvor einen alten Garnelenkahn dazu benutzt, Marihuana von Mexiko einzuschmuggeln. Ob das nun zutraf oder nicht, die Hulics schwammen im Geld, und Stella mußte es zwanghaft jedem erzählen, der zuhören wollte. Sie rasselte ihren Text mit widerlich näselnder Stimme herunter und wartete, bis jedermann den Mund voll hatte und am Tisch völlige Stille herrschte.
    Sie sagte: »Ich hoffe, wir machen heute zeitig Schluß. Cal und ich wollen übers Wochenende nach Miami. Dort gibt es ein paar tolle neue Geschäfte.« Alle Köpfe waren gesenkt, weil niemand den Anblick eines halben, zwischen den Kiefern steckenden und deutlich sichtbaren Baguettes ertragen konnte. Jede Silbe kam mit zusätzlichen Mampfgeräuschen heraus.
    Loreen verließ den Tisch bereits vor dem ersten Bissen. Ihr folgte Rikki Coleman mit der fadenscheinigen Begründung, daß sie am Fenster sitzen müßte. Lonnie Shaver mußte plötzlich beim Lunch arbeiten. Er entschuldigte sich und setzte sich vor seinen Computer, um ein Club-Sandwich mit Huhn zu vertilgen.
    »Finden Sie nicht auch, daß Dr. Kilvan ein beeindruckender Zeuge ist?« fragte Nicholas die am Tisch verbliebenen Geschworenen. Ein paar Blicke zu Herman, der sein übliches Weißbrot-Sandwich mit Truthahn verzehrte, ohne Mayonnaise oder Senf oder sonst eine Zutat, die an seinem Mund oder seinen Lippen hätte kleben bleiben können. Ein aufgeschnittenes Truthahn-Sandwich und ein ordentliches Häufchen Kartoffelchips ließen sich auch ohne Sehvermögen leicht handhaben und verspeisen. Hermans Kiefer mahlten einen Augenblick lang langsamer, aber er sagte nichts.
    »Diese Statistiken kann man kaum ignorieren«, sagte Nicholas und lächelte Jerry Fernandez an. Es war ein bewußter Versuch, den Obmann zu provozieren. »Das reicht«, sagte Herman. »Was reicht, Herm?«
    »Das Gerede über den Prozeß. Sie kennen die Anweisungen des Richters.«
    »Ja, aber der Richter ist schließlich nicht hier, stimmt's, Herm? Und er kann auch gar nicht erfahren, worüber wir reden, stimmt's? Es sei denn, natürlich, Sie erzählen es ihm.«
    »Genau das könnte ich tun.«
    »Gut, Herm. Worüber möchten Sie denn reden?«
    »Über alles außer den Prozeß.«
    »Schlagen Sie ein Thema vor. Football, das Wetter…«
    »Ich sehe mir keine Footballspiele an.«
    »Ha, ha.«
    Es folgte eine lastende Pause, in der nur Stella Hulics Schmatzen zu hören war. Ganz offensichtlich hatte der kurze Wortwechsel zwischen den beiden Männern an den Nerven gezerrt, und Stella kaute sogar noch schneller.
    Aber Jerry Fernandez reichte es. »Könnten Sie bitte mit dem Schmatzen aufhören!« fuhr er Stella wütend an.
    Er erwischte sie mitten im Kauen, das Essen in ihrem offenen Mund war unübersehbar. Er funkelte sie an, als ob er sie am liebsten geschlagen hätte, dann sagte er, nachdem er tief Luft geholt hatte: »Tut mir leid, okay? Es ist nur, daß Sie so furchtbare Tischmanieren haben.«
    Sie war eine Sekunde fassungslos, dann betreten. Dann ging sie zum

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