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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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ein Risiko ein - ist es bereits eingegangen -, und sie sahnt entweder ganz groß ab, oder geht mit fliegenden Fahnen unter. Glauben Sie mir. Schön, was ist der zweite Grund?«
    Hardy hatte gesagt, es gebe zwei Gründe, weswegen er der Ansicht sei, daß Jennifer es vielleicht nicht getan habe -Freeman hatte den ersten Grund mit sachlichen Argumenten verworfen und wollte jetzt den zweiten wissen. »Meiner Meinung nach ist sie einfach nicht der Typ dafür.«
    Freeman machte sich wieder an die Lektüre. »Ich berechne mein Honorar nach Stunden«, sagte er, »und ich verlange nicht genug.«
    Hardy akzeptierte den Tadel gutgelaunt. »Wenn wir den Sohn Matt ausklammern, sieht der Fall gegen sie nicht besonders überzeugend aus.«
    »Wir können Matt nicht ausklammern. Matt war da, Diz. Ich wünsche mir zum Teufel noch eins, daß er nicht dagewesen wäre, aber so sieht's nun mal aus. Powell wird das nicht auf sich ruhen lassen - das ist es, was unser Mädchen mit der Gaskammer konfrontiert. Es wird Einfluß auf den Richter haben.«
    Hardy hatte diese Diskussion bereits hinter sich. Selbst wenn Jennifer ihren Mann Larry umgebracht hatte, und Hardy war davon nicht überzeugt, dann war er sich zumindest sicher, daß Matts Tod irgendwie ein Unfall gewesen war, ein blinder, tragischer Zufall. Aber jetzt mußten sie von diesem Punkt aus weitersehen, ob ihnen das gefiel oder nicht. Das war es, wovon sie auszugehen hatten, und sie mußten sehen, wie sie damit klarkamen. »Ich bin immer noch der Ansicht, daß die richtige Jury sie vielleicht freisprechen wird«, sagte er.
    »Die richtige Jury würde vielleicht sogar Attila den Hunnenkönig freisprechen. Aber verlassen Sie sich in diesem Fall nicht darauf.«
    Freeman beugte sich vor und legte Hardy onkelhaft die Hand auf die Schulter. Nicht zum erstenmal staunte Hardy darüber, daß Freeman so erfolgreich und sogar regelrecht liebenswert war. Wie immer hätte er eine Rasur dringend nötig gehabt. Seine Lippen waren dick und ein wenig lila. Das Weiße in seinen wäßrigen Augen sah eher gelblich aus, und die Haut ringsherum war von Leberflecken übersät. Er war so hübsch wie ein leprakrankes Warzenschwein, sofern Warzenschweine überhaupt Lepra bekommen können. »Wer Grips hat, setzt nicht allzuviel auf die Jury. Wissen Sie, wenn ich Ihnen beipflichte und glaube, daß sie unschuldig ist, schmälere ich letztlich ihre Chancen. Sind Sie sich dessen eigentlich bewußt?«
    »Inwiefern tun Sie das?«
    Freeman blickte sich in dem leeren Saal um, um sich zu vergewissern, daß niemand zuhörte. »Es ist ein Balanceakt auf dem Hochseil. Man möchte sich selber einreden, daß man einen Unschuldigen verteidigt - soweit ist alles in Ordnung, das gehört dazu. Aber sobald man tatsächlich glaubt, daß der Mandant unschuldig ist, dann geht man über kurz oder lang davon aus, daß die Jury das sehen wird, was man selbst sieht. Man redet sich selbst ein, daß die Geschworenen einem glauben wollen, der Interpretation der Fakten glauben wollen, die man vorbringt.«
    Hardy spann den Faden weiter. »Und diese Argumente werden einfach nicht so schlagend ausfallen, weil man sich nicht erst selbst davon überzeugen muß.«
    »Sehen Sie? Diz, ich glaube, Sie haben ein Händchen für dieses Metier.« Freeman schob die Zigarre im Mund hin und her. »Wenn die Sache vor ein Geschworenengericht kommt, steckt Ihre Mandantin bereits dick in der Tinte, und es empfiehlt sich, die Sache so ernst zu nehmen wie möglich.«
    »Ich nehme sie auch ernst, David. Sie haben mich gefragt, ob ich im Innersten glaube, daß sie es getan hat. Zumindest kann ich sagen, daß ich mir nicht sicher bin, ob die Anklage auf festen Füßen steht...«
    »Ist das etwa der Grund, warum die Gegenseite auf die Todesstrafe plädiert? Ist das etwa der Grund, warum Powell mit seinen politischen Ambibitionen der Fall zugeteilt wurde? Braucht er womöglich ein bißchen Übung vor Gericht? Ich bezweifle das.«
    Hardy konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Sie müssen lernen, Ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, David. Es wird Ihnen eines Tages schlecht bekommen, wenn Sie alles nur in sich hineinfressen.«
    Freeman nickte. »Ich weiß. Ich versuch's. Ob es den Leuten wohl etwas ausmacht, wenn ich hier drin rauche?«
    Freeman saß unter dem international gebräuchlichen Zeichen für Rauchen verbotene
    »Jede Wette«, sagte Hardy.
    »Ich hatte ohnehin die ganze Zeit angenommen, daß Sie mit von der Partie sein würden, um die Wahrheit zu

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