Das Urteil
Staatsanwalt entzückt war. »Aber sicher hat sie das«, sagte er.
Der Richter Oscar Thomasino, ein Mann mit kurzem Bürsten schnitt und dunklem Teint, legte in seinem Gerichtssaal, in dem er seit zehn Jahren den Vorsitz innehatte, ein äußerst geschäftsmäßiges Verhalten an den Tag. Ihm war heute früh wieder eine dieser Überraschungen widerfahren, die das Leben hinter der Holzbarriere, wo das Hohe Gericht saß, kennzeichneten.
»Bevor wir heute anfangen«, sagte er, »fährt jemand in diesem Gerichtssaal einen grünen Chevy Lumina mit dem Kennzeichen 1NCV722?«
Ein Latino um die Mitte Zwanzig hob die Hand und stand in der dritten Reihe des Zuhörerraums auf.
Thomasino winkte ihn zu sich nach vorn. Widerwillig leistete der Mann der Aufforderung Folge, und der Richter besah ihn sich von oben herab mit einem Stirnrunzeln. »Mein Herr, ist Ihnen zufällig das große Schild draußen auf dem Parkplatz, wo Sie Ihr Auto abgestellt haben, aufgefallen, auf dem steht: Reserviert für den Vorsitzenden Richter ?«
Der junge Mann zog den Kopf ein und wandte sich halb ab, suchte bei den Zuhörern Unterstützung. »He, was denn, krieg ich jetzt Ärger, weil ich auf Ihrem Parkplatz steh?«
»Nicht unbedingt«, sagte Thomasino, »obwohl das ein Teil davon ist. Ihr großes Problem ist, daß das Auto gestohlen ist.« Thomasino gab dem Gerichtsdiener Weisung, den Mann in Gewahrsam zu nehmen. Sie würden sich oben schon darüber Gedanken machen, was sie mit ihm anstellen sollten. Das Auto hatte man auf den Parkplatz der Stadtverwaltung geschleppt.
Hardy mußte immer noch wegen der Geschichte kichern, als Jennifers Aktenzeichen aufgerufen wurde - die Computernummer. Daraufhin gingen Freeman und Hardy durch die Holzbarriere nach vorn. Dean Powell und ein milchgesichtiger Referendar kamen von der Geschworenenbank herunter, und man geleitete Jennifer Witt auf das Podest, das vor dem Richter stand. Hardy dachte bei sich, daß Jennifer, niedergeschlagen und kaputt, wirklich wie eine Angeklagte aussah, aber der Trainingsanzug konnte das selbst einer Cindy Crawford antun. Er stellte sie Freeman vor.
Sie quittierte die abgerissene Erscheinung ihres Anwalts nicht gerade mit Begeisterung - eine Reaktion, die Freeman gewohnt war. Sie schnitt Hardy eine Grimasse - ist das etwa mein Anwalt? -, und sah dann den Richter an. Wie bei allen Mordanklagen verlas der Protokollführer die vollständige Anklage.
»Jennifer Lee Witt, Sie sind wegen dreier Verbrechen angeklagt, nämlich wegen Vergehens gegen Abschnitt 187 des Strafgesetzbuches, indem Sie in der Stadt und im County von San Francisco im Staate Kalifornien am oder um den 17. September 1984 herum absichtlich, unter Bruch des Gesetzes und mit Vorsatz Edward Teller HoUis umgebracht haben.« Der Protokollführer verlas die besonderen Umstände und fuhr fort, indem er die Anklagen wegen Mordes an Larry und Matt Witt anfügte. Als er zu Ende gelesen hatte, nickte Thomasino in Richtung des Podestes und sagte, daß er angesichts der Anwesenheit der Herren Freeman und Hardy annehme, daß Jennifer anwaltlich vertreten werde. Er fragte Jennifer, wie sie plädieren wolle. »Nicht schuldig, Euer Ehren.«
Thomasino machte sich eine Notiz auf seinem Computer ausdruck und schielte dabei über seine Lesebrille, die schwach getönt und halbmondförmig war. »Mr. Powell. Spricht sich die Staatsanwaltschaft gegen eine Kaution aus?«
Powell stand auf. »Sehr richtig, Euer Ehren. Dies ist ein Fall mit besonderen Umständen. Der Tatvorwurf lautet auf mehrfachen Mord und Mord aus Gewinnsucht. Die Angeklagte hat bereits mehrfach Menschen getötet...«
»Euer Ehren!« So etwas ließ sich Freeman nicht bieten. Bis jetzt war keineswegs erwiesen, daß Jennifer irgendwen getötet hatte. Genau darum ging es schließlich hier.
Der Richter sah den Vertreter der Anklage finster an. »Mr. Powell, bitte.«
Powell setzte eine zerknirschte Miene auf, verlor aber keine Zeit, weiterzubohren.
»Tut mir leid, Euer Ehren. Aber dies hier ist ein Fall, bei dem es um die Todesstrafe geht. Das Gesetz sieht vor, daß die Angeklagte in diesem Fall ohne Möglichkeit einer Kaution in haftiert wird. Zudem geht die Staatsanwaltschaft davon aus, daß erhebliche Fluchtgefahr besteht.«
Freeman meldete sich ganz sachlich zu Wort. »Euer Ehren, Mrs. Witt wird ihren Reisepaß aushändigen. Sie ist bisher noch nie wegen eines Verbrechens angeklagt, geschweige denn verurteilt worden. Es findet sich in der Vergangenheit von Mrs. Witt
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