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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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und folglich ging Frannie der Sache auch nicht auf den Leim.
    »Es ist ein Fall, der ein Jahr dauert, vielleicht auch zwei. Wer weiß, das ist vielleicht genauso lang, wie einer der anderen Jobs dauern würde, Frannie. Das Leben ist nun mal ungewiß.«
    Frannie rollte die grünen Augen - als ob er ausgerechnet mit dieser Weisheit kommen müßte.
    Hardy blieb hartnäckig. »Mrs. Witt besitzt zwei Millionen Dollar, vielleicht mehr ...«
    »Die ihr die Versicherung jetzt nicht auszahlen wird, nachdem man sie wegen der Morde angeklagt hat.«
    Das war ein Aspekt, von dem er gehofft hatte, daß sie ihn nicht zur Sprache bringen würde. »Es sind schon merkwürdigere Sachen passiert.« Er versuchte zu grinsen. »Vielleicht tun sie's ja doch.«
    »Tust du mir bitte einen Gefallen, Dismas? Find's raus. Zumindest das bist du uns schuldig.«
    Nachdem das Abendessen vorbei war und beide Kinder schliefen, saßen sie sich am Eßzimmertisch gegenüber, tranken den Rest ihres Rotweins aus und naschten dazu ein paar Schokoladenbonbons - Frannies jüngste kulinarische Entdeckung, die beide hatte süchtig werden lassen. Zwei beinahe abgebrannte Kerzen flackerten mal mehr, mal weniger hell.
    Frannie seufzte. »Du hast keine Lust, für jemand anderen zu arbeiten, stimmt's?« Sie hob die Hand, schnitt ihm die Antwort ab. »Wenn du keine Lust dazu hast, ist das gebongt, aber dann sollten wir nicht so tun, als hättest du Lust dazu.«
    »Darum geht es gar nicht.«
    »Aber sicher tut es das. Du nennst all diese Leute, bei denen du dich vorgestellt hast, Kanzleiratten. Ich denke, der Aus druck verrät eine gewisse Voreingenommenheit.«
    Hardy schob sich einen Schokoladenbonbon in den Mund, nahm einen Schluck Wein. »Ich weiß wirklich nicht, worum es geht. Diese Sache mit Jennifer Witt ist heute früh einfach in mein Leben hereingeplatzt. Was soll ich denn machen? Freeman hat mich um Hilfe gebeten. Er übernimmt das Ganze sowieso morgen früh.«
    »Aber du bist interessiert, oder nicht?«
    »Keine verbindliche Aussage«, sagte er. »Aber ja, es ist interessant. Ich hab mir die Akte angesehen.«
    »Du meinst die Akte, aus der du die Nase überhaupt nicht mehr rausbekommen hast, die du auswendig gelernt zu haben scheinst?«
    Hardy gab auf. »Jaa, diese Akte.«
    »Und was ist, wenn sie's getan hat?« Frannie haschte jetzt nach jedem Strohhalm und wußte es.
    Hardy lehnte sich zurück. »Dann hat sie immer noch das Recht auf einen Anwalt.«
    Frannie sah ihn von der Seite her an. »Was hat das mit dir zu tun?«
    »Ich bin Anwalt.«
    Beide lachten, und die Atmosphäre entspannte sich ein wenig. Eine der Kerzen gab den Geist auf, und eine Rauchfahne stieg steil im stillen Zimmer hoch.
    Frannie griff über den Tisch und nahm ihren Mann bei der Hand. »Schau mal. Du weißt, ich halte zu dir. Ich will einfach nur, daß du dir sicher bist, du machst eine Arbeit, mit der du glücklich wirst. Das hier ist nicht nur ein einzelner Fall. Wenn du den hier annimmst, dann machst du das auch in Zukunft, Fälle übernehmen. Vielleicht andauernd irgendwelche Leute verteidigen.«
    Hardy war früher einmal Polizist gewesen, und zweimal hatte er längere Zeit für die Staatsanwaltschaft gearbeitet. Frannie war davon überzeugt, daß - sofern es überhaupt jemanden gab, der für die Rolle eines Anklagevertreters geschaffen war - dieser Jemand ihr Mann war. Sie hatte seine Schimpftiraden und/oder verächtlichen Seitenhiebe gegen Strafverteidiger gehört, gegen die »Typen, die den Krankenwagen hinterherhecheln«, gegen den »Abschaum«, der jeden vertrat, solange er nur vorweg das Honorar hinblätterte.
    »Es muß nicht unbedingt anrüchig sein«, sagte Hardy. Frannie lächelte ihn an. »Ich frage mich nur, ob es das Leben ist, das du dir wünschst.« »Das Leben, das ich mir wünsche, ist an deiner Seite.« Sie drückte ihm die Hand. »Du weißt, was ich meine.« Er wußte, was sie meinte. Auch ihm machte die ganze Sache Kopfzerbrechen. Doch er wußte, daß er zusagen würde, falls David Freeman ihn um Hilfe beim Prozeß gegen Jennifer Witt bitten sollte, beinahe egal, um welche Aufgabenstellung es sich drehen mochte, und er konnte sich auf Anhieb mehrere solcher Aufgaben vorstellen. Was hieß, daß er auf keinen der angebotenen Jobs zurückkommen würde. Was wiederum hieß ... Er wußte es nicht.
    Die zweite Kerze ging aus. »Lassen wir das Geschirr einfach stehen«, sagte er.

4
    Der Justizpalast von San Francisco, die Hall of Justice in der Nähe des Freeway 101 -

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