Das Urteil
hatte.
Er hatte das getan und festgestellt, daß Nancy DiStephano die Absenderin war. Dann war ihm wieder eingefallen - als er sich das Ganze vor Augen führte -, daß Tom in der Woche vor den Morden Jennifer zu Hause besucht hatte, um sein Weihnachtsgeschenk abzugeben, Nancy dagegen warten wollte, um ihres persönlich zu überreichen, wenn die Witts an Weihnachten zu Besuch kämen. Was also pas siert war, nachdem die Witts den Familienbesuch gestrichen hatten, war, daß Nancy ihrem Enkel Matt sein Geschenk per Federal Express geschickt hatte. Es war einerlei, um was für ein Geschenk es sich handelte - offenbar war es in dem gewaltigen und unersättlichen Schlund der Weihnachtsgeschenke verschwunden, im Berg von Matts neuen Spiel sachen.
Aber die Information war dem Anwalt ein kleiner Trost gewesen, ganz wie Restoffers Bereitschaft zur Kooperation, und auch wenn sie nicht gerade das war, was Hardy heißes Beweis material nennen würde. Die unbeantwortet gebliebenen Fra gen hatten ihn genervt, und jetzt blieben nicht mehr viele übrig.
An der Übernahme von BMG schien irgend etwas faul zu sein. Hardys Theorie war noch weit davon entfernt, voll ständig ausgearbeitet zu sein, und noch viel weiter davon, daß sie bewiesen wäre, aber der Verdacht, der sich ihm aufdrängte, zog ihn magisch an wie eine Motte, die der brennen den Kerze verfällt. Zum Teufel, jede Möglichkeit zog ihn ma gisch an. Angenommen, daß sowohl Larry Witt als auch Simpson Crane aus unterschiedlichen Gründen und auf unterschiedlichen Wegen damit gedroht hatten, eine außergewöhnlich lukrative und dubiose Geschäftstransaktion bloßzustellen und zu vereiteln. Also mußte, wer immer hin ter der Sache steckte, diese beiden Hindernisse aus dem Weg räumen - Simpson und Larry -, bevor das Geschäft voran kommen konnte. Irgendwer wurde angeheuert, um die Drecksarbeit zu erledigen, und der Mord an Simpson Crane (und an dessen Frau, die zufällig gerade anwesend war), sah wie eine drastische Vergeltungsmaßnahme der Gewerkschaft aus, während der Mord an Larry Witt (und an dessen Sohn, der ebenfalls zufällig gerade anwesend war) dessen Ehefrau hi die Schuhe geschoben wurde. Es war zumindest eine verlockende Parallele.
Sonntag morgen, Hardy brutzelte Spiegeleier und Speck in seiner Bratpfanne. Frannie saß im Morgenmantel in der son- ni gen Küche und las die Zeitung. Rebecca und Vincent genossen die besondere Freude, nebeneinanderzusitzen, wobei Rebecca, das große Mädchen, ihrer Mama half und das Baby fütterte und es immerhin schaffte, Vincent volle zwanzig Proze nt der zerdrückten Banane in den Mund zu bugsieren. Hardy beobachtete die ganze Szene aus dem Augenwinkel, es war einer jener Augenblicke, von denen er sich vorgenommen hatte, sie wahrzunehmen und sich an ihnen zu freuen. Aus der vorderen Hälfte des Hauses hörte man einzelne Klangfetzen der Grand Canyon Suite - wieder einmal der Einfluß von Freeman. Hardy spazierte ein paar Schritte quer durch die Küche und drückte Frannie einen Kuß auf die Stirn.
»Hmm«, sagte sie und küßte geistesabwesend die Luft neben seinem Gesicht.
Und das Telefon läutete. Wie immer.
»Geh nicht ran«, sagte Hardy. Er stand unmittelbar neben dem Apparat und widerstand der Versuchung ziemlich tapfer.
Aber Frannie war schon aufgestanden. »Ich weiß, daß es Susan ist. Sie hat gesagt, daß sie mich anrufen will. Sie ist vielleicht schwanger.« Sie hob den Hörer ab und lauschte, runzelte dann die Stirn. »Einen Augenblick, er steht gleich neben mir.«
Er sah sie scheel an, aber was konnte er machen?
Es war Floyd Restoffer. »Ich habe eine gute Nachricht und eine schlechte Nachricht«, sagte er und kam ohne Umschweife zur Sache. »Die schlechte ist, daß man mir den Fall entzogen hat.«
»Man hat Ihnen den Fall entzogen?« Hardy war um die Ecke herum in den kleinen Arbeitsraum neben der Küche spaziert. »Was ist geschehen?«
»Ich schätze mal politische Machenschaften. Nachdem ich am Freitag das Zeug von Ihnen bekommen hatte, habe ich mit dem jüngeren Crane gesprochen, mit Todd, dem Sohn von Simpson. Ich fragte ihn, ob er etwas dagegen hat - was er nicht tat -, wenn ich einige seiner Partner befrage, auch wenn Crane keine Ahnung hatte, was ich eigentlich von ihm will-Jedenfalls habe ich ihm nicht viel erzählt - nur, daß ich einem neuen Hinweis bezüglich der Ermordung seiner Eltern nachgehe. Ich fragte ihn, ob sein Vater irgendwelche Arbeiten für Yerba Buena übernommen
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