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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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unbestätigten Theorien so intolerant reagierten.
    Bei einem Prozeß mußte einer etwas sehen, riechen, anfassen oder schmecken und es dann beschwören. Denn im wirklichen Leben passierten die Dinge nur auf eine einzige Art und Weise. Und die Aufgabe des Gerichts - vielleicht mehr noch als das Auffinden der Gerechtigkeit - bestand darin, sicherzustellen, daß die Geschichte folgerichtig war und mit den Beweisen übereinstimmte.
    Hardy hockte sich auf den Boden und hob Akten auf. »Was soll ich machen, David?«
    »Ich habe das vorhin nicht nur im Scherz gesagt«, sagte Freeman. »Ich würde zuerst ihre Mutter als Zeugin aufrufen und dann Jennifer ...«
    »Aber nicht einmal Sie haben das getan!«
    »Das war eine völlig andere Situation. Ich hatte den Luxus zu wählen oder dachte zumindest, ich hätte ihn. Sie hingegen haben ihn nicht. Das ist die allerletzte Karte. Die Geschworenen müssen die Chance erhalten, Jennifer kennenzulernen, zu sehen, was für ein Mensch sie jenseits ...«
    »Powell wird Hackfleisch aus ihr machen.«
    »Das kann sein. Kann auch sein, daß sie sich selbst ihr Grab schaufelt. Das ist das Risiko.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Aber das Leben ist eben riskant, mein Junge. Was bleibt Ihnen auch sonst groß übrig?«

47
    Die Kinder waren noch nicht wach - ein Wunder. Es war kurz nach sechs, und Frannie las die Morgenzeitung, war in die Geschichte vertieft. Obwohl keine Anklage erhoben worden war, hatte die Mutter der verurteilten Mörderin ihren Mann getötet, und das war natürlich der Renner. Also hatte Powell trotz aller Anstrengungen Hardys seine Ziele erreicht - nicht allein waren sein Name und Foto wieder auf der ersten Seite zu finden, die Geschworenen würden auch einen kleinen Einblick bekommen, wie die DiStephano/ Witt-Frauen ihre Probleme lösten - sie brachten ihre Männer um.
    »Sie stellen es so dar, daß es fast alttestamentarisch klingt«, sagte Frannie, »wie ein Fluch von Generation zu Generation.«
    Hardy nickte erschöpft. Er war in seinem Leben vermutlich schon einmal noch müder gewesen, aber er konnte sich nicht erinnern. Er war gestern abend nicht vor Mitternacht heimgekommen, konnte mindestens eine Stunde lange nicht einschlafen. »Ich hoffe nur, daß es die Geschworenen nicht so sehen.«
    Frannie legte die Zeitung aus der Hand. Irgend etwas in der Stimme ihres Mannes ... »Wirst du verlieren?«
    »Schon möglich.« Der Prinz des Understatement.
    Frannie kämpfte mit dem schrecklichen Gedanken. »Kann ich irgendwas tun?«
    »Wie was?«
    »Ich weiß nicht, dir irgendwie helfen, egal wie ...« Sie griff über den Tisch und nahm seine Hand. »Es geht mir überhaupt nicht gut dabei, weißt du. Als ob ich Jennifer im Stich gelassen hätte. Man hat sie verurteilt. Was soll ich denn denken? Was soll ich denn tun? Ich konnte einfach nicht länger abstreiten...«
    »Du mußt mir überhaupt nichts erklären, Frannie. Sie ist eine sehr schwierige Person. Sie verprellt die Leute.«
    Frannie biß sich auf die Lippe, drückte seine Hand. »Was wird passieren? Wenn du verlierst, meine ich.«
    »Wenn Powell gewählt wird und an dem Fall dranbleibt, stehen ihre Chancen bei der Berufung sehr schlecht. Er wird der Generalstaatsanwalt sein, und ihr Fall liegt ihm speziell am Herzen. Selbst wenn er wollte, will ich damit sagen, und er will ja nicht, wäre es politisch gesehen schwer für ihn, nicht weiter Druck zu machen.«
    »Das Ganze ist einfach so grundverkehrt.«
    Hardy legte seine Hand auf die ihre. »Noch ist es ja nicht vorbei.«
    Er würde Nancy in den Zeugenstand rufen, dann Jennifer.
    Eine Gesellschaftsreporterin namens Lucy Pratt war in der Redaktion der Los Angeles Times, als Hardy eine Stunde später aus der Sutter Street anrief. So früh am Morgen war noch kein Mensch in den Redaktionsräumen, und die Frau war froh, mit jemandem über ihre Arbeit reden zu können. Viele Leute brannten darauf, in die Nachrichtenredaktion aufzurücken, aber sie war total zufrieden, als Gesellschaftsreporterin zu arbeiten. Sie liebte Menschen. Sie machte sich nichts aus Gewalt, aus globalen Problemen, aus all solchem Zeug. Sie sagte zu Hardy, daß sie selbstverständlich wisse, wer Margaret Morency sei. Tatsächlich hatten sie am letzten Wochenende das Foto von Mrs. Morency abgedruckt. Sie und ihr Verlobter hatten eine Wein-und-Käse-Auktion veranstaltet, um Gelder für die Stadtbücherei von San Marino einzutreiben.
    »Aus irgendeinem Grund«, sagte Hardy, »dachte ich immer, es handle sich um

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